Zu sehen ist Josef Schöffels Oberkörper als Mensch und die untere Hälfte als Baum. Mit seinen wie Äste aussehenden Armen hält er Waldarbeiter hoch, denen Hacken und Messer hinunterfallen. © ANNO

Österreichs erster moderner Umwelt­schützer:

der "Wiener­wald-­Schöffel"

1870 beschließt das Parlament große Flächen im Wienerwald zu verkaufen. Massive Schlägerungen drohen. Der Bürger und Journalist Josef Schöffel macht mit einer hartnäckigen Medienkampagne Druck und verhindert die Zerstörung.

19. Oktober 1872:  Der Gemeinderat von Purkersdorf beschließt ein Denkmal zu bauen – nicht für einen Kaiser oder Feldherrn, sondern für einen Umweltschützer. Josef Schöffel hat gerade einen unblutigen Sieg errungen: über Profitgier und Korruption. Gerne lässt er sich als „Retter des Wienerwaldes“ feiern.

Eine Karikatur von Josef Schöffel in der Zeitschrift Die Bombe aus dem Jahr 1873. © ÖNB Anno

Privatisierung der Staatswälder – Chance für Spekulanten

Damals wie heute besitzt der Staat riesige Waldflächen. Das gefällt Wirtschaftsliberalen nicht und sie bestimmen in vielen Ländern Europas die Richtung. Sie meinen: Der Staat darf den Kräften der freien Wirtschaft nicht im Weg stehen. Auch den Wald muss man an Private verkaufen, sonst wird er nicht richtig genützt. Häufig verstehen die Forstunternehmer darunter aber: auf kurze Sicht Gewinn herausholen. Bäume gibt es dann keine mehr.

Dem Wienerwald drohen 1870 massive Schlägerungen. © Wien Museum, Wien vom Kahlenberg aus gesehen, Josef Schwemminger, 1870

Gegen den Verkauf und die Abholzung von großen Teilen des Wienerwaldes regt sich daher sofort Protest. Doch Schöffel ist es, der die Kritik wirkungsvoll in die Zeitungen trägt. Erst seit wenigen Jahren gilt in Österreich Pressefreiheit, Tageszeitungen sind ein Massenmedium mit viel Zukunft.  

Schöffel erkennt, welche Möglichkeiten ihm das bietet, um gegen hohe Beamte und reiche Unternehmer zu mobilisieren.

Die angesehenste Zeitung in Wien ist die Neue Freie Presse, die aber den Liberalismus der Großunternehmer vertritt. Schöffel geht daher zum Neuen Wiener Tagblatt, einer jüngeren Konkurrenz. Die bringt seinen ersten Artikel und alle folgenden. Zweimal pro Woche macht Schöffel mit Korruptionsvorwürfen und starken Worten Stimmung. Er nimmt die „Mafia im Staatsgüter-Verschleuderungsbüro“ aufs Korn und empört sich über den Verkauf von Wäldern an „Aktiengesellschaften und Spekulanten“.

Schöffel – Hassobjekt, Medienstar, Politiker

Schöffel muss auch selbst einiges einstecken – bis hin zu Morddrohungen. Der Finanzminister beschuldigt ihn der „Lüge und Verleumdung“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen „Aufreizung zu Hass und Verachtung“. Fünfmal wird er wegen Ehrenbeleidigung verklagt. Verurteilt wird er nie, denn Schöffel hat sorgfältig recherchiert. Er ist ein Aufdeckerjournalist mit erstklassigen Kontakten, der alles mit Akten beweisen kann.  

1872 hat Schöffel gewonnen, der Verkauf im Wienerwald wird rückgängig gemacht. Es folgt eine Politkarriere. Schöffel wird Bürgermeister von Mödling und in den Reichsrat gewählt, über hundert Gemeinden ernennen ihn zum Ehrenbürger.  

Josef Schöffel gilt heute als der erste moderne Umweltaktivist. © ÖNB Bildarchiv
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