Fünf Glasbläser arbeiten in einem Raum mit beheiztem Ofen, aus dem Rauch aufsteigt. Zwei Frauen sitzen auf Stühlen im Vordergrund. © Wikimedia

Industrie­spionage vor 500 Jahren. 

Glas­arbeit im Wald­viertel

Ab dem 16. Jahrhundert wird in Niederösterreich Glas hergestellt. Die Arbeit ist hart und beschwerlich, das technische Wissen kommt aus Venedig.

Wer Glas erzeugen will, braucht bis ins 19. Jahrhundert vor allem eines: Holz, Holz und nochmals Holz. Im Böhmerwald an der Grenze von Österreich und Böhmen gibt es genug davon. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts werden hier, im Mühlviertel und Waldviertel, Glashütten gegründet.

Bis dorthin kommt das beste Glas aus Venedig – eine wichtige Einnahmequelle für die Inselrepublik. Das Glas wird auf der abgelegenen Insel Murano hergestellt, das technische Wissen soll geheim bleiben. Mit allen Mitteln versucht die europäische Konkurrenz das Geheimnis zu enthüllen: Ausländische Glasbläser schleichen sich unter falschem Namen in die Betriebe, Arbeiter werden abgeworben – so funktioniert die Industriespionage vor 500 Jahren.
Das weltberühmte Muranoglas wird schon im 16. Jahrhundert hergestellt. Das technische Wissen ist streng geheim. © Wikimedia

Am Anfang haben die Glashütten im Waldviertel wenig Erfolg, ihre Produkte haben einen schlechten Ruf. Es dauert, bis die Qualität verbessert wird, ab circa 1680 ist es soweit: Das Kristallglas aus dem Böhmerwald wird weltberühmt und ist sogar billiger als das venezianische Glas. Es wird außerhalb Europas verkauft: in Beirut, Kairo, Mexiko und New York!

Im 17. Jahrhundert werden die Erzeugnisse aus dem Böhmerwald weltberühmt. © Wikimedia

Hitze und Staub

Die Arbeit ist gesundheitsschädlich, die Öfen sind extrem heiß. Die Glasbläser sind berüchtigt für ihren Durst. In der Glashütte Nagelberg im Waldviertel geben sie ein Drittel ihres Lohns für Bier aus. Andere Arbeiter müssen den für die Erzeugung nötigen Quarz zu Staub vermahlen. Sie werden „Sandpocher“ genannt und leiden oft an einer Staublunge.

Viele leben vom Glas. Einwärmbuben schauen auf das Feuer, Aschbrenner und Flusssieder erzeugen die Pottasche. Die braucht es, damit das Glas möglichst farblos ist. Einbinderinnen flechten das fertige Glas in Stroh, um es sicher transportieren zu können. Glasträger befördern die Ware mit Buckelkraxen zu den Käufern, später wird das von Pferdefuhrwerken übernommen.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts sind die böhmischen Glasarbeiter heiß begehrt. Preußische, schwedische und russische Diplomaten und Abwerber bemühen sich um ihre Dienste. Die Habsburgermonarchie versucht die Abwanderung zu verhindern. Etliche Glasarbeiter gehen trotzdem ins Ausland, weil sie von den Meistern misshandelt werden oder auf mehr Lohn hoffen. Manche ziehen sogar nach Venedig. 
Das neue Wissen wandert mit den Arbeitern nun in die umgekehrte Richtung.

Im 19. Jahrhundert wird das englische Bleikristall wichtiger. Statt Holz wird nun vermehrt Kohle für die Glaserzeugung verwendet. Im Waldviertel stellen viele Betriebe die Produktion ein. Die wenigen noch vorhandenen Glashütten sind heute vor allem eine Touristenattraktion.

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