Frühjahr 1670: Eine alte Frau geht von Mariahilf langsam zur Hofburg. Dort sitzt der Kaiser Leopold I. auf seinem Thron. Die alte Frau hat keinen Thron, sie geht weiter zum Michaelerplatz. Vor dem Eingang der Michaelerkirche setzt sie sich hin und bettelt. Darf sie das? Ja, denn auf ihrem Gewand ist ein Zeichen angebracht, das sie von der Stadt Wien bekommen hat.
Die Frau heißt Christina Haimblin und ist über 50 Jahre alt. Sie kommt aus der Steiermark oder aus Salzburg – so genau weiß man das damals nicht. Früher hat sie mit ihrem Mann im Wald gearbeitet, der ist aber gestorben. Sie ist zu schwach zum Arbeiten. Seit vier Jahren hat sie die Erlaubnis zu betteln.
Es gibt damals fast 500 offizielle Bettler:innen in der Stadt. Sie werden „Stadtzeichnerinnen“ und „Stadtzeichner“ genannt, weil sie ein Bettelzeichen tragen. Wie das Zeichen genau aussieht, weiß man leider nicht. Man weiß nur, dass es „gegossen“ war. Die meisten Armen mit diesem Zeichen kommen nicht aus Wien, viele sind in Niederösterreich geboren. Manche stammen sogar aus Frankreich, Irland oder Russland. Sie waren Soldaten oder haben als Tagelöhner gearbeitet, am Bau oder bei der Ernte im Weingarten. Nun sind sie aber krank oder hatten einen Unfall. Es gibt mehr arme Frauen als Männer, die meisten sind alt und zu schwach zum Arbeiten.