Abends am Fuß des Kilimandscharo im Jahr 1889. Der Forschungsleiter Hans Meyer hat gerade in einer Reisebadewanne aus Gummi gebadet. Erfrischt setzt er sich an den mit weißem Leinen gedeckten Tisch und isst noch eine Kleinigkeit. Er befindet sich zwar auf einer Expedition, aber dem Forscher ist es wichtig, dass er als „kultivierter Europäer“ reist. Dass das klappt, dafür sorgen einheimische Diener und Träger.
Es ist bereits der dritte Versuch, den Hans Meyer unternimmt, um den Kilimandscharo zu erklimmen. Der Sohn einer wohlhabenden Verlegerfamilie ist leidenschaftlicher Geograf und Forscher. Er hat schon einige Expeditionen hinter sich. Wie groß seine Strapazen dabei sind, ist unklar, denn er reist mit bis zu 130 Bediensteten.
Auf die Spitze des Kilimandscharo bringt Meyer aber nicht nur sein Forschungsdrang, sondern auch der deutsche Kolonialismus. Der Kilimandscharo liegt im Gebiet des heutigen Tansania. Das Deutsche Reich hat die Region erst vor kurzem erobert. Der höchste Berg Afrikas befindet sich also in einer deutschen Kolonie und soll nun auch von einem Deutschen als erstes bestiegen werden. Das ist ganz im Sinn der damaligen Großmachtfantasien.
Er spielt darin die Rolle des Helden. Auf den Gipfel begleitet ihn der Tiroler Alpinist Ludwig Purtscheller. Auch er ist nur Nebendarsteller: „Ich pflanzte auf dem verwitterten Lavagipfel mit dreimaligem, von Herrn Purtscheller kräftig sekundierten ‚Hurra‘ eine kleine im Rucksack mitgetragene deutsche Fahne auf und rief frohlockend: Mit dem Recht des ersten Ersteigers taufe ich diese bisher unbekannte, namenlose Spitze des Kibo, den höchsten Punkt afrikanischer und deutscher Erde: Kaiser-Wilhelm-Spitze.“ Die beiden weißen Europäer werden als Erstbesteiger des Kilimandscharo in die Geschichte eingehen. Ihre einheimischen Begleiter nicht. Die hat Meyer vor dem Gipfelanstieg zurück ins Lager geschickt.