Natureis ist damals die gängigste Methode, um Lebensmittel zu kühlen. Die Herstellung von Kunsteis ist sehr teuer und noch gibt es keine elektrischen Kühlschränke für den Haushalt. Wenn Metzger Fleisch kühlen müssen, verwenden sie daher Natureis und Brauereien temperieren damit ihr Bier. Sogar in Krankenhäusern benötigt man Eis, etwa um Malariastationen zu kühlen. Eis ist keine Ware, die jeder zuhause hat, aber es wird damals bereits viel eingesetzt. Der Abbau von Natureis erreicht um 1900 seinen wirtschaftlichen Höhepunkt.
Der Verbrauch der Städte ist enorm. Es genügt meist nicht, in der Winterzeit Eis an nahegelegenen Seen oder Flüssen abzubauen. Deshalb importiert Deutschland in der Zeit um 1900 große Mengen an Eis. Das meiste kommt aus Norwegen und Österreich. Seen und Gletscher werden geplündert. Die Eisernte ist ein gutes Geschäft, auch in Leogang. Mehr als 140 Arbeiter schuften dort. Doch in manchen Regionen regt sich auch Widerstand gegen den Abbau von Gletschereis: In Chamonix, Frankreich, wird er wegen „Schädigung nationalen Erbes“ beendet.
Auch in Leogang endet bald die Eisernte. Es ist schon so viel vom Birnbachloch-Gletscher abgetragen worden, dass man in immer höhere Lagen vordringen muss. Das macht die Spreng- und Hackarbeiten immer schwieriger. Außerdem beschädigt Hochwasser mehrmals die Holzrutsche. Schließlich wird der Abbau am Gletscher im Jahr 1900 eingestellt.
Bereits 1873 ist ein Verfahren zur Herstellung von Kunsteis entwickelt worden. Aber erst im frühen 20. Jahrhundert verdrängt die industrielle Produktion zunehmend den Abbau von Natureis.
Hans-Christian Täubrich/Jutta Tschoeke, Unter Null. Kunsteis, Kälte und Kultur, München 1991.
Wessel Reinink, Eiskeller. Kulturgeschichte alter Kühltechniken, Wien/Köln 1997.