Ein Mann sitzt auf seiner Kutsche und hat ein Pferd darauf liegen. Neben der Kutsche steht eine Familie und blickt auf die Kutsche.  © Wikimedia, Ein totes Pferd auf dem Wagen (Schinderkarre) eines Abdeckers, Thomas Rowlandson, 1756–1827.

Ab­decker: Ihre Arbeit der Tod,

der Dank die Aus­gren­zung 

Abdecker sind für die Entsorgung von toten Tieren zuständig. Ihre Arbeit ist notwendig, hart und belastend. Die Gesellschaft behandelt sie gerade deshalb jahrhundertelang wie Aussätzige.

12. Dezember 1792: Eine Petition richtet drastische Worte an die bayerische Landesregierung: „Wir sind verachtet, und nicht anders als Auswürflinge des Menschengeschlechtes angesehen.” Die Abdecker versuchen, sich gegen ein geplantes Gesetz zu wehren. Es soll beschränken, was sie für ihre Dienste verrechnen dürfen.  

Was arbeiten Abdecker?

Der Abdecker, auch Wasenmeister genannt, entsorgt und verarbeitet die Kadaver von toten Tieren. Wenn auf der Straße ein Pferd unter der Last zusammenbricht, beseitigt er es. Herrenlose Hunde muss der Abdecker einfangen und töten. Er verscharrt die Körper, insbesondere von Tieren, die wegen Krankheit „gefallen” sind oder die er deshalb „vertilgt”, also verarbeitet hat. Der Job klingt unappetitlich.

Doch der Abdecker trägt entscheidend zur Hygiene in Dörfern und Städten bei. Er verhindert die Ausbreitung von Seuchen durch tote Tiere. Außerdem sichert er wertvolle Rohstoffe, indem er den Tieren Fell und Haut abzieht. Auch Knochen, Hörner und Hufe werden verwendet.  Abdeckereien verarbeiten die Kadaver zu Produkten wie Leder, Seife oder Leim. Sie machen also Recycling. Allerdings stinkt die Tätigkeit fürchterlich. Damit will niemand in Berührung kommen. Ihre Häuser müssen die Abdecker daher außerhalb der Orte haben.

Die Abdeckereien lagen meist abseits der Ortschaften. © Belvedere, Wien, CC BY-SA 4.0, Ferdinand Brunner, Das Haus auf der Anhöhe, Gouache auf Leinwand, 1904

„Für unsere Kinder keine Ehrenstelle”

Das Gewerbe des Abdeckers gibt es seit dem Mittelalter und ebenso lang gilt es als unehrlich. Die unehrlichen Berufe sind eine klar umrissene Gruppe. Dazu zählen auch Totengräber, Gefängniswärter, Barbiere, Töpfer oder Hirten. Sie haben viel weniger Rechte als Menschen, die „ehrliche” Berufe ausüben: Zimmerer oder Bauern zum Beispiel.

Schon von Kindheit an sind Abdecker benachteiligt. Die Petition spricht das ebenfalls an: „Für unsere Kinder gibt es keine milde Stiftung, kein Kloster, keine Ehrenstelle, wann sie schon oft die besten Talente oder Eigenschaften haben.” Wer in eine unehrliche Familie hineingeboren wird, dem sind viele Dinge nicht erlaubt. Ein Gewerbe, das als ehrlich gilt, darf er oder sie nicht ausüben.

Wenn die Heirat Verachtung bringt

Abdeckerfamilien bleiben unter ihresgleichen. Nur selten schließen sie eine Ehe außerhalb der eigenen Gruppe, denn das kann schwere Folgen haben. So lernt im Jahr 1654 Barbara Leichnam bei einem Trinkgelage Andreas Anhauser kennen. Sie ist die Tochter eines Abdeckers und er ist Fischer. Die beiden verlieben sich in einander. Sie heiraten. Sofort verbietet die Fischereizunft dem Fischer Andreas Anhauser, seinem Beruf nachzugehen. Aber auch der Vater von Barbara Leichnam weigert sich, den Schwiegersohn in seine Abdeckerei aufzunehmen, weil er eben Fischer ist. Die beiden müssen sich fortan als Tagelöhner:innen durchschlagen.

 Die Ausgrenzung macht kriminell

 Die jahrhundertelange Ausgrenzung und die oft harten Lebensbedingungen zwingen zu einem Leben im Abseits. Die Gesellschaft braucht ihre Dienste und verachtet diejenigen, die sie erbringen. Kein Wunder, dass die Verachtung oft gegenseitig ist. Zwei der bekanntesten Verbrecher des neunzehnten Jahrhunderts sind in Abdeckerfamilien aufgewachsen: der Räuber Grasel in Niederösterreich und der Schinderhannes in Rheinland-Pfalz. 

Zeitstrahl 1792 © wasbishergeschah.at