Der ganze Platz ist voller Menschen, die dutzende unterschiedliche Banner hochhalten. Auf einem ganz vorne steht: Tullnerfelder gegen Atomkraftwerke. © ÖNB

Kein "Tod auf Raten":

Das AKW Zwen­ten­dorf und die Anti-Atom­kraft-Be­we­gung

Die Anti-Atomkraft-Bewegung verhindert das AKW Zwentendorf. Seither ist Atomkraft in Österreich tabu.

17. April 1972: Auf der Großbaustelle für das Atomkraftwerk Zwentendorf mustern Bauarbeiter Risse im Beton. Am Tag zuvor hat ein Erdbeben in der Region das Fundament des Reaktors beschädigt. Die Arbeit von Wochen ist zerstört. Das Fundament haben die Arbeiter gerade erst gebaut. Jetzt müssen sie es wieder abtragen und neu betonieren. 

Die Risse in der Bodenplatte des AKW Zwentendorf frustrieren nicht nur die Bauarbeiter. Sie sorgen zugleich für erste Risse im Vertrauen, das die österreichische Bevölkerung dem Projekt und der Atomkraft im Allgemeinen entgegenbringt. In den folgenden Jahren entsteht eine landesweite Bewegung. Sie lehnt das AKW-Projekt ab.

Erklärtes Ziel: Kein Kernkraftwerk in Österreich

Umweltaktivist:innen fürchten eine radioaktive Verschmutzung in der Umgebung des AKW. Man weiß, dass radioaktive Strahlung zu Krebskrankheiten führen kann. Auch die Frage nach der Erdbebensicherheit des AKW bleibt ungeklärt – selbst wenn das neue Fundament besser gebaut ist. Die Aktivist:innen machen außerdem auf den Müll aufmerksam, den das Kernkraftwerk Zwentendorf produzieren wird. Atommüll strahlt viele Generationen lang radioaktiv und muss aufwendig gelagert werden. Die Atomkraft-Gegner:innen sehen in einem solchen Lager eine tickende Zeitbombe.

Menschen protestieren gegen Atomkraft vor dem Karl-Renner-Institut in Wien. © ÖNB

Politik und Wirtschaft hingegen suchen verzweifelt nach einem geeigneten Ort für den Atommüll aus Zwentendorf. Sie entscheiden sich für Allentsteig. Die Ortsansässigen wehren sich aber gegen das geplante Endlager. Durch ihre Proteste erreichen sie, dass die Regierung nachgibt. „Ich werde mir im Waldviertel keinen Bürgerkrieg anzetteln“, erklärt Bundeskanzler Kreisky laut der „Allentsteiger Volxzeitung”.

Die SPÖ-Regierung will allerdings weiterhin das AKW Zwentendorf in Betrieb nehmen. Doch die Kritik an dem Projekt wird immer lauter. Als der öffentliche Druck zu groß wird, lässt die Regierung eine Volksabstimmung zu. Zwar ist die ÖVP für die Nutzung von Atomkraft, aber der Alleinregierung der SPÖ eins auszuwischen ist zu verlockend. Sie stellt sich auch gegen Zwentendorf.

Womit zunächst niemand gerechnet hat, geschieht: 50,5 Prozent der Bevölkerung stimmen gegen den Start des Kernkraftwerks. Das Kapitel Atomkraft ist damit in Österreich beendet. Die Umweltbewegung hingegen steht erst an ihrem Anfang. 

Heute wird das AKW Zwentendorf für Schulungen genutzt. © Benjamin Schlöglhofer
© wasbishergeschah.at