Zwei Personen reißen eine zweisprachige Ortstafel in Kärnten nieder. © GERT EGGENBERGER / APA / picturedesk.com

Der Hass aufs Ortsschild:

50 Jahre Kärntner "Ortstafel­sturm"

Deutschnationale Kärntner randalieren. Sie protestieren gegen die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln. Es soll nicht sichtbar werden, dass man hier auch Slowenisch spricht. Statt die Rechte der Minderheit zu schützen, gibt die Regierung den „Ortstafelstürmern“ nach.

Oktober 1972, Kärnten: Eine Blechlawine von zweihundert Fahrzeugen rollt von Ferlach aus durch das Rosental. „Deutschkärntner“ beschmieren und entfernen zweisprachige Ortstafeln. Als sie praktisch alle Tafeln abmontiert haben, veranstalten sie Hupkonzerte, werfen Knallkörper und rufen: „Kärnten frei und ungeteilt“. Die Zerstörung zieht sich über Wochen.

Der Deutschnationalismus in Kärnten hat ein Ziel: Alles Slowenische muss verschwinden

Schon seit dem 19. Jahrhundert steht die slowenische Bevölkerung unter einem starken Druck, denn Kärnten soll rein „deutsch” werden. Mit dem Staatsvertrag 1955 verpflichtet sich Österreich aber, die sprachliche Gleichberechtigung der slowenischen Minderheit zu beachten. Gemeinden mit slowenischer Bevölkerung müssen daher zweisprachige Ortstafeln erhalten. Das bleibt lange ein leeres Versprechen. Erst nach Protesten im In- und Ausland beschließt die Regierung 1972 endlich ein Gesetz: 205 Orte sollen zweisprachige Tafeln bekommen.

Rechtsradikal gegen Zweisprachigkeit

Der Kärntner Heimatdienst (KHD) und der Abwehrkämpferbund sind entsetzt. Die beiden rechtsradikalen Organisationen hetzen in Versammlungen gegen die slowenische Minderheit. Ein Teilnehmer fordert: „Volk steh' auf – Sturm brich los.“ Am 20. September 1972 lässt Bundeskanzler Kreisky die ersten Ortstafeln aufstellen. Schon am nächsten Tag beginnen die Schmierereien und viele Tafeln werden demontiert. Die Behörden lassen die Tafeln reinigen und wieder aufstellen, die Polizei verhaftet einige „Schmierer“. Trotzdem sind bis Jahresende fast alle zweisprachigen Tafeln entfernt oder verunstaltet.

Am 15. Oktober 1972 protestieren Tausende in Klagenfurt gegen das „Ortstafeldiktat“. © Archiv der Kärntner Arbeiterbewegung / H. G. Trenkwalder

Die Kärntner Politik verklärt den „Ortstafelsturm“ lange als eine spontane „Volkserhebung“. Das war gelogen. Dem Historiker Peter Gstettner ist es gelungen zu beweisen, dass der Heimatdienst die Aktionen organisiert hat.

Ein ehemaliger Ortstafelstürmer gibt rückblickend zu: „Der KHD hat den Hass geschürt.“

Nach dem „Sturm“

Auch danach wird der slowenischen Bevölkerung weiterhin ihr Recht vorenthalten. Als 2001 das Verfassungsgericht zu ihren Gunsten entscheidet, nützt das nichts. Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider findet immer wieder Tricks, um das Recht zu brechen: Einmal lässt er Ortstafeln um ein paar Meter verrücken, ein andermal lässt er zweisprachige Tafeln wieder durch deutsche Ortsschilder ersetzen, denen er eine kleinere slowenische Zusatztafel beigibt.

Nach Verhandlungen wird 2011 folgende Regel vereinbart: Gemeinden, in denen mindestens 17,5 Prozent der Bevölkerung Slowenisch sprechen, müssen zweisprachige Tafeln aufstellen. Das zumindest funktioniert seither.

2011 schließen Politiker und Vertreter der slowenischen Minderheit einen Kompromiss: 164 zweisprachige Ortstafeln werden aufgestellt. © Wikimedia


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