Ein toter Spatz hängt kopfüber an einer Schnur.   © Wikimedia, CC-BY-4.0.

Krieg 

gegen die Spatzen

Eingriffe in die Natur lösen immer wieder Katastrophen aus. 1958 will der chinesische Präsident Mao Hungersnöte verhindern, indem er die Ausrottung der Spatzen anordnet. Damit erreicht er das Gegenteil: Die Spatzen sterben fast aus und Millionen Menschen verhungern. 

Dezember 1958, Szechuan in China:  Auf selbstgebauten Leitern klettern Schulkinder auf Bäume. Im Geäst suchen sie nach Vogelnestern. Sie zerschlagen die Eier und töten die Küken. Stundenlang trommeln die Kinder auf Töpfe und Pfannen. Der Lärm hält die Spatzen davon ab, sich auf den Bäumen und Dächern auszuruhen. Sie fliegen so lange in der Luft, bis sie vor Erschöpfung tot vom Himmel fallen. Ein Schulbub erzählt später: „Es hat Spaß gemacht!“

„Spatzenkrieg“ in China

Der chinesische Präsident Mao will China zu einer großen Industrienation machen. Dieses Ziel verfolgt er ohne Rücksicht auf Verluste. Dazu gehört auch die „Ausrottung der vier Plagen“: In ganz China sollen Ratten, Mücken, Fliegen und Spatzen restlos getötet werden. Der Spatz, so behauptet Mao, frisst das wertvolle Saatgut von den Feldern, sodass keine Pflanzen wachsen und Menschen hungern müssen. Kurz vor fünf Uhr in der Früh ertönen Sirenen. Sie signalisieren den Start der Aktion. Alle müssen mitmachen – vom Fünfjährigen bis zum Greis. Die Kinder haben schulfrei und fast alle Betriebe stehen still, weil auch die Beschäftigten beim Spatzentöten helfen. Mit Töpfen, Pfannen und Trommeln bewaffnet steigen die Menschen auf Dächer und schreien in den Himmel. Einige schießen mit Gewehren auf die Vögel, andere mit Steinschleudern. Manche binden tote Spatzen an Schnüre, um stolz zu zeigen, wie viele sie schon getötet haben. 
Drei Tage lang geht die Bevölkerung auf Vogeljagd.

Propagandaposter der Kommunistischen Partei zeigen die „vier Plagen“ auf einem Dolch aufgespießt, ähnliche Abbildungen finden Eingang in Schulbücher. © Wikimedia

Heuschreckenschwärme und kahle Felder

Kritische Stimmen warnen schon im Vorhinein vor den Folgen. Denn Spatzen essen nicht nur Samen, sondern vor allem Insekten. Als fast alle Spatzen tot sind, können sich die Heuschrecken ungestört vermehren. Riesige Schwärme verdunkeln den Himmeln und fressen die Felder kahl. Auch Raupen, Käfer und Milben vernichten die Ernte.

Millionen Menschen sterben, weil sie nichts zu essen haben. Viele, die mit Begeisterung bei der „Erschlagung der Spatzen“ mitgemacht haben, erkennen nun, wie schädlich Maos Befehl für Tier und Mensch war. Auch der einstige Schulbub aus Szechuan erkennt den Fehler: „Damals wussten wir nicht, dass Spatzen gute Vögel sind“, sagt er Jahre später. 

Zeitstrahl mit historischen Ereignissen - 1958 ist hervorgehoben. © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Frank Dikötter, Mao’s Great Famine. The History of China’s Most Devastating Catastrophe 1958–-1962, London 2010.