Dezember 1958, Szechuan in China: Auf selbstgebauten Leitern klettern Schulkinder auf Bäume. Im Geäst suchen sie nach Vogelnestern. Sie zerschlagen die Eier und töten die Küken. Stundenlang trommeln die Kinder auf Töpfe und Pfannen. Der Lärm hält die Spatzen davon ab, sich auf den Bäumen und Dächern auszuruhen. Sie fliegen so lange in der Luft, bis sie vor Erschöpfung tot vom Himmel fallen. Ein Schulbub erzählt später: „Es hat Spaß gemacht!“
Kritische Stimmen warnen schon im Vorhinein vor den Folgen. Denn Spatzen essen nicht nur Samen, sondern vor allem Insekten. Als fast alle Spatzen tot sind, können sich die Heuschrecken ungestört vermehren. Riesige Schwärme verdunkeln den Himmeln und fressen die Felder kahl. Auch Raupen, Käfer und Milben vernichten die Ernte.
Millionen Menschen sterben, weil sie nichts zu essen haben. Viele, die mit Begeisterung bei der „Erschlagung der Spatzen“ mitgemacht haben, erkennen nun, wie schädlich Maos Befehl für Tier und Mensch war. Auch der einstige Schulbub aus Szechuan erkennt den Fehler: „Damals wussten wir nicht, dass Spatzen gute Vögel sind“, sagt er Jahre später.
Frank Dikötter, Mao’s Great Famine. The History of China’s Most Devastating Catastrophe 1958–-1962, London 2010.