Eine Frau in einem langen gelben Rock geht über einen Platz. Auf der Schulter und unter den Armen trägt sie Kleidungsstücke verschiedener Farben. Auf dem Kopf trägt sie ein Kopftuch und balanciert ein Paket. Im Hintergrund befinden sich provisorische Marktstände zwischen Autos und Sonnenschirmen. Mehrere Verkäuferinnen sitzen zwischen Kleiderbergen und Säcken mit Kleidung. Zwei weitere Frauen tragen große Bündel an bunter Kleidung auf dem Kopf.  © Wikimedia, Fquasie, Frau verkauft Secondhandkleidung, 2017, CC-BY-SA-4.0.

Ein Problem wird verschifft:

Second­hand­klei­dung aus Europa vermüllt afrika­nische Flüsse

Seit den 1990er-Jahren bringen Handelsfirmen riesige Mengen Gebrauchtmode nach Ghana. So findet die Kleidung neue Käufer:innen statt in Europa als Abfall zu enden. Alles super? Ein großer Teil des Gewands lässt sich auch in Ghana nicht verkaufen. Und landet auf dem Müll – nur eben dann in Afrika statt in Europa.

Der Kantamanto-Markt im Zentrum von Accra, der Hauptstadt von Ghana: Hier drängt sich Geschäft an Geschäft, Menschen eilen durch die engen Gassen. Auf den Verkaufsständen türmen sich Kleidungsberge.
Zu kaufen gibt es vor allem eines: Secondhand-Kleidung. Wer westliche Kleidung kaufen will, kommt am Kantamanto-Markt nicht vorbei – und an Verkäuferinnen wie Jacklyn Ofori Benson. Als eine Journalistin stehenbleibt, um für eine europäische Zeitung über den Markt zu berichten, ärgert sich Jacklyn allerdings gerade. Denn sie hat kurz zuvor neue Ware erhalten, die dreckig und unbrauchbar ist.
Den Großteil wird sie wegwerfen müssen. So wie ihr geht es vielen Händler:innen Tag für Tag.

Die Kleidung hat einen langen Weg hinter sich. Hilfsorganisationen in Europa und Nordamerika sammeln gespendete Altkleidung. Die bieten sie zunächst in ihren Läden an. Für die meisten Sachen finden sie aber keine Abnehmer:innen. Daher verkaufen die Hilfsorganisationen den größten Teil des Gewands schließlich an Handelsfirmen, die es in afrikanische Staaten transportieren. Dort erwerben kleine Händler:innen die Importware. So bestückt auch Jacklyn ihren Verkaufsstand am Kantamanto-Markt.

Nur ein kleiner Teil der gespendeten Altkleider findet in Secondhandläden in Europa Käufer:innen. © Wikimedia, Tiia Monto, Secondhandladen in Finnland, 2018, CC-BY-SA-3.0.

Von der Altkleidersammlung in den Fluss

Anfang der 1990er-Jahre lockert Ghana die Regeln für den Import. Freihandel gilt damals als der neue Weg zu mehr Wohlstand. Seither flutet gebrauchte Kleidung aus Europa die Märkte in Ghana. Vor allem die Menschen in den Städten wollen Kleidung, die als „westlich“ gilt. Leisten können sie sich aber meistens nur gebrauchte Kleidung. Die Importe ermöglichen es ihnen, an Modetrends teilzuhaben oder sich individuell anzuziehen. Frauen kaufen gerne Jeans – sehr zum Ärger von Konservativen, die einen Verfall der Moral befürchten. So wie das ihrer Meinung nach schon im Europa der 1950er-Jahre war. Junge Frauen wollen Freiheit und Hosen. Und Verkäufer:innen wie Jacklyn können vom Verkauf der Kleidung leben. Aus diesem Blickwinkel lässt sich eine positive Geschichte erzählen. Außerdem klingt die Weiterverwendung von Altkleidung grün und umweltfreundlich. 

Das große Geschäft machen allerdings die Handelsfirmen aus Europa. Mit ihrer Gebrauchtkleidung verdrängen sie die afrikanische Produktion von Textilien. Die Altkleider haben außerdem oft so schlechte Qualität, dass Vieles schon kurz nach dem Import weggeworfen werden muss. Und auch vom Rest können die Händler:innen in Ghana nur einen Teil verkaufen. 40 Prozent der gebrauchten Kleidung wandert vom Kantamanto-Markt in den Müll. Die nutzlosen Textilien verschmutzen die Landschaft, landen in Flüssen und Lagunen. Sie werden ins Meer gespült und teils wieder an der Küste angeschwemmt. Textilfetzen überall.

Zusammen mit anderem Müll verschmutzen die Kleiderfetzen Ghanas Flüsse. © Wikimedia, Fquasie, zugemüllter Fluss in Ghana, 2022, CC-BY-SA-4.0.


Julian Stricker-Neumayer

Zeitstrahl 1995 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Silvia Ruschak, „Wearing trousers makes me look smart“. Frauen und Kleidungsgeschichte im urbanen, postkolonialen Südghana, in: Historische Anthropologie 15/1 (2007), 103–117.