Ein Mann steht mit Besen und Schlüssel in der Hand auf einem gepflasterten Platz. Hinter ihm ist ein Tor zu sehen.  © Wien Museum

"Der allgewaltige

Hausmeister"

Im Wien der Monarchie beherrschen Hausmeister:innen die Wohnhäuser. Sie kündigen, sperren aus und kassieren ab. Selbst bei Liebschaften haben sie ein Wort mitzureden.

September 1911 in der Wiener Herthergasse: Ansässige demonstrieren vor dem Wohnhaus Nummer 26. Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Arbeiter-Zeitung berichtet: „Der Groll richtet sich hauptsächlich gegen die Hausbesorgerin.“ Angeblich kündigt die Hausmeisterin Kaspar Mieter:innen auf eigene Faust die Wohnung auf. Zweimal hat sie das innerhalb kurzer Zeit getan und eine weitere Kündigung angedroht. 

Wer damals mietet, hat kaum Rechte und erwartet sich nicht viel. Aber die Hausmeisterin ist zu weit gegangen. Wütende Menschen demonstrieren vor dem Wohnhaus und schlagen mit Steinen die Fensterscheiben ein.

Kann eine Hausmeisterin überhaupt die Menschen im Haus kündigen? Das passiert damals öfters. Je nach den Wünschen des Gebäudebesitzers haben sie ganz unterschiedliche Jobs: vom Putzen des Stiegenhauses bis zur Durchführung von Kündigungen. Ihre Aufgaben machen sie zu einer zentralen Autorität im Haus. Sie prägen den Alltag in der Stadt, auch nachts am Hauseingang. 

Im Innenhof der Wohnanlagen hatten die Hausmeister:innen das Sagen. Auf dem Bild ist der Wiener Metzleinstaler Hof um 1925 zu sehen. © Wien Museum

„Sperrsechserl“ – Eintrittsgeld für die eigene Wohnung

Nur Hausmeister:innen können das Haustor zusperren. Die Menschen, die im Haus wohnen, haben meist keinen eigenen Schlüssel. In Wien gilt ab zehn Uhr abends Nachtruhe. Nach dieser Sperrstunde haben Hausmeister:innen eine zusätzliche Funktion am Portal ihres Wohnhauses. Wer passieren will, muss „Sperrgeld“ zahlen. Üblicherweise beträgt es sechs Kreuzer – dafür bekommt man damals sechs Semmeln. Daher spricht man in Wien vom „Sperrsechserl“. Für die, die nachts am Portal stehen, ist es eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle, denn sie verdienen schlecht.

Die Hausmeister:innen entscheiden, wer das Haus betreten darf und wer nicht, wer nachts unterwegs sein kann und wer nicht. Selbst die Literatur beschäftigt sich mit ihrer Macht. Der Schriftsteller Friedrich Schlögl schreibt 1873 in dem Roman „Wiener Blut“: „Wenn der allgewaltige Hausmeister eine Liaison [Liebschaft] protegiert, dann gedeiht sie, wenn er sie aber nicht duldet, dann mögen die Englein des Himmels herabsteigen und sich für das bedrohte Pärchen einsetzen, ihr Flehen wäre trotzdem fruchtlos.“

Erst 1923 verlieren sie die Macht über die Schlüssel. Ein Gesetz beendet das Ärgernis mit dem “Sperrstund Gfrett”. Es räumt jedem das Recht auf einen Haustorschlüssel ein. Im Wiener Gemeindebau gibt es Sperrstunde und Portierdienst noch lange.

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