Die drei Räuber Jakob Fähding, Georg Grasel und Iganz Stangel stehen nebeneinander. Alle drei sind mit Handschellen angekettet. © Wikipedia

Ein falscher Robin Hood: 

Johann Georg Grasel

Räuber Grasel ist bekannt als Waldviertler Ehrendieb. Von Ehre war aber keine Spur.

1814, nachts am 31. August in Großsiegharts. Im Dunkeln versuchen drei Männer ein Fenster an der Rückseite des Geschäfts von Tuchhändler Loidoldt mit Hölzern aufzubrechen. Ächzend stemmen sich die Räuber Grasel, Gams und Fuchs gegen die Holzbalken.  

Unter der Spannung zittert das Holz. Endlich ein Ruck: Das eiserne Fenstergitter gibt nach und kracht auf den Boden. Jetzt geht alles schnell. Zwei der Räuber klettern in das Haus. Sie greifen alles, was ihnen unter die Finger kommt. Seide, Silbermünzen und Leinen werden nach draußen gereicht. Mit drei großen Bündeln Beute ziehen sie ab.

Grasel und seine Komplizen erbeuten vom Tuchhändler Loidoldt in dieser Nacht Diebesgut im Wert von 5.343 Gulden. Das entspricht heute etwa 113.000 Euro. Es sind Raubzüge wie dieser, die Johann Georg Grasel schon zu Lebzeiten zu einer Legende machen. Über 200 Verbrechen können ihm heute zugeordnet werden.

 

Grasel stiehlt von den Armen und von den Reichen

Ein Mythos entsteht um die Person Grasel. Balladen und Tänze werden dem Räuber gewidmet. Die Literatur verklärt ihn zum Waldviertler Robin Hood. Hundert Jahre nach Grasels aktiver Zeit als Bandit schreibt der Schriftsteller Friedrich Anton von Schönholz: „Mord war streng verboten; die Sicherheit der Landstraßen, der Reisenden sollte nicht angetastet werden, dem Armen beigestanden, dagegen Schlösser und Ämter geplündert werden, hauptsächlich um bares Geld.” Nichts davon stimmt. 

Über 200 Verbrechen begeht der Räuber Grasel und seine Kumpan:innen. © Wikimedia, Rogernot, Bartsch 1924
Grasel stiehlt von den Armen genauso wie von den Reichen. Er ist ein gewalttätiger Verbrecher, der ein Alkoholproblem hat.

Es kommt nicht nur einmal vor, dass er seine Beute verliert, weil er so betrunken ist.

Ein Raubzug im April 1814 in der Gemeinde Geras: Grasel und seine Begleiter begehen mehrere Einbrüche innerhalb weniger Stunden, unter anderem in einen Weinkeller. Dort betrinkt sich Grasel. „Worauf wir berauscht wurden”, kommentiert der Räuber später bei einem Verhör. Die Bande fliegt auf und Grasel flieht mit seinem treuen Gefährten Gams auf zwei gestohlenen Pferden. Vom Wein ist Grasel so betrunken, dass er ständig von seinem Pferd fällt und dieses schließlich davonläuft. Gams macht sich erfolglos auf die Suche nach dem Tier und lässt in der Zwischenzeit sein eigenes Pferd bei dem Betrunkenen. Der tötet das Pferd von Gams.

 

Mord im Rausch

Bei seinen Raubzügen verletzt und foltert Grasel die Beraubten immer wieder schwer. Er mordet auch, darunter zweimal im Rausch. 1815 wird Grasel gefasst, verurteilt und 1818 am Glacis vor dem Schottentor in Wien hingerichtet.

Grasel war kein Waldviertler Robin Hood. Zu seinen Lebzeiten wird er von der Bevölkerung im Waldviertel gefürchtet. Trotzdem besteht der Mythos heute weiter. Grasel-Wanderwege führen an vermeintlichen Grasel-Höhlen vorbei und laden dazu ein, bei der Graselwirtin einzukehren.

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