Ölgemälde „Die Vergewaltigung“ von Edgar Degas. © Wikimedia

Gewalt und Korruption.

Ein Bordell in Wien um 1900

Die Zuhälterin Regine Riehl hält ihre „Madeln“ als Gefangene, sie werden geschlagen und eingesperrt. Polizisten lassen sich mit Gratissex und Champagner bestechen. Die Behörden tun daher lange nichts gegen die verheerenden Zustände.

9. Bezirk, Grünentorgasse 24: Das Mädchen Grete ist betrunken in den „Salon Riehl“ geschleppt worden. Dort fällt das Gittertor hinter ihr ins Schloss. Man nimmt ihr die Dokumente weg, auch ihre Kleidung muss sie abgeben. Dafür erhält sie die „Uniform der Gefangenen des Salons“: Seidenhemd, Seidenstrümpfe und Atlasschuhe. 

„Weiße Sklavinnen“ im Bordell

Bei Regine Riehl arbeiten Mädchen ab 14 Jahren. Minderjährige „Kindfrauen“ sind ein besonders gutes Geschäft für die Bordellbetreiber und dieses Geschäft ist damals sogar legal.

Ins Bordell kommen die Frauen und Mädchen auf unterschiedlichen Wegen. Ein Mädchen wird von seinem Vater unter Schlägen gezwungen ins „Haus Riehl“ zu gehen. Andere werden durch galizische Mädchenhändler vermittelt, wieder andere treibt die Geldnot zur Prostitution. Manchmal erhalten die Frauen nur einen Teil ihres Lohnes, manchmal auch gar nichts. Das Geld geht dann an ihre Eltern oder direkt an Riehl.

Zum Schlafen sperrt die Bordellwirtin ihre „Madeln“ in Zellen mit vergitterten Fenstern. Wenn sich die Prostituierten „artig aufführen“, dürfen sie für ein, zwei Stunden in den kleinen Hausgarten. Auf die Straße dürfen sie nicht. Für Disziplin sorgt eine Hundepeitsche. Auch manche Freier schlagen die Frauen grün und blau. Im Bordell sind alle möglichen Prügelinstrumente wie Peitschen, Gurte und Stöcke vorhanden. Bemühungen, diese Zustände abzustellen, verlaufen jahrelang im Sand, „weil die Riehl mit der Polizei auf viel zu gutem Fuße steht“.

Polizisten bekommen Champagner und Gratissex, damit die Zustände im Bordell nicht auffliegen. © Wikimedia

„Affäre amtlicher Korruption“

Riehl hat gute Kontakte zur Polizei. Immer wieder besuchen Polizisten und Steuerbeamte ihren „Salon“. Sie bekommen Champagner und Mädchen – kostenlos. Die Bordellbetreiberin gibt dann den Auftrag: „Madeln, verführts mir den dicken Kommissär, aber nehmts kein Geld von ihm.“ Jahrelang geht das so. 1906 wird schließlich bekannt, wie es im Salon Riehl zugeht. Eine Welle der Entrüstung rollt durch die Medien. Sogar Karl Kraus meldet sich zu Wort. Die Polizisten haben ihre „Autorität missbraucht, um den Missbrauch zu autorisieren“, schreibt der Schriftsteller und Publizist. Regine Riehl wird vor Gericht gestellt. Der Prozess endet mit einem Schuldspruch. Die Bordellbetreiberin erhält drei Jahre Kerker, unter anderem wegen „Kuppelei“ und weil sie den Mädchen die Freiheit geraubt und Polizeivorschriften übertreten hat. Allerdings: Die Geschichte endet hier nicht. Bereits 1911 eröffnet Riehl wieder ein Bordell in Wien.

1906 wird die Bordellbetreiberin Regine Riehl vor Gericht gestellt. Sie erhält drei Jahre Kerker. © ANNO
Zeitstrahl 1900 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Franz X. Eder, Prostitution in Wien um 1900. Der sozial- und kulturgeschichtliche Kontext, in: Clemens Ruthner/Matthias Schmidt (Hg.), Die Mutzenbacher, Wien 2019, 61–79.