Zwei Männer mit Flinten in einer Felsnische. Der ältere Mann schaut den jüngeren streng an während er mit einem großen Messer Wurst schneidet. Im Hintergrund sieht man eine Burg. © Wienmuseum, Zwei italienische Räuber

Vom Leben am Rand in die Mitte des Verbrechens:

Kindheit und Jugend des Räubers Grasel

Johann Georg Grasel wächst in großer Armut auf. Die Familie stiehlt und bettelt, um zu überleben. Grasel lernt nicht lesen und schreiben, dafür das gewalttätige Rauben.

18. März 1806 in der Gemeinde Raabs an der Thaya: Der 15-jährige Grasel steht Schmiere. Nervös blickt er links und rechts, während die erfahrenen Diebe Pieringer und Fischer das Fenstergitter aufbrechen. Es ist der erste nachgewiesene Einbruch von Johann Georg Grasel. 

Der später legendäre Räuber ist „auf Anstiften meiner Mutter“ dabei. Mehrere Hundert Verbrechen werden folgen. An diesem Tag ist die Beute nicht spektakulär: Kleidung und Bettwäsche. Fürs Schmierestehen bekommt Grasel einen Teil der Bettwäsche. Seine Mutter Regina Grasel näht daraus Kleidung für ihre Kinder.

Armut und Verbrechen

Johann Georg Grasel wird 1790 in ein Leben von Armut hineingeboren. Die Eltern stammen aus Abdeckerfamilien. Abdecker entsorgen Tierkadaver, leben am Dorfrand und werden verachtet. Auch der Vater geht zeitweise diesem Beruf nach. Eine wichtige Einnahmequelle sind außerdem Diebstähle. Der Vater Thomas, ein schwerer Trinker, wird immer wieder bei Raubzügen erwischt und verbringt Jahre im Gefängnis.

Die Mutter Regina Grasel muss in dieser Zeit alleine die Familie versorgen. Sie schlägt sich mit Betteln und kleinen Diebstählen durch. Betteln ist zu dieser Zeit kein Kavaliersdelikt. Dafür landet man hinter Gittern. Der Staat hat gemeinsam mit der Kirche gerade erst Armeninstitute eingeführt. Sie sollen die Mittellosen versorgen, wirken aber oft nicht. Fürs Betteln gibt es aus Sicht des Staates also keinen Grund mehr. Man greift hart durch. Regina Grasel wird deshalb bei Mautern verhaftet. Ihr Sohn Johann kommt dann lange zu Verwandten.

Räuberhandwerk statt Schulbildung

Auch der Schulbesuch bleibt dem Kind verwehrt. Zu oft wechselt Johann Georg Grasel den Wohnort, zu unbeständig ist sein Leben. Er wird nie Schreiben oder Lesen lernen. Die Schulpflicht gibt es zu dieser Zeit bereits. Doch die Eltern schicken ihre Kinder oft nicht in die Schule – weil sie sich das Schulgeld nicht leisten können oder weil die Kinder zuhause arbeiten müssen. Auf Grasel trifft wahrscheinlich beides zu.

Dafür lernt Grasel das Diebeshandwerk. Zurück aus dem Gefängnis nimmt ihn sein Vater mehrere Jahre lang auf seine Raubzüge mit. Als sie in ein Wohnhaus im Waldviertler Wiesmaden einbrechen, ist der 18-jährige Grasel dafür zuständig die Laterne zu halten. Es ist einer der ersten bekannten Raubzüge, die Vater und Sohn gemeinsam unternehmen. Der junge Mann sieht zu, wie ein Kumpan der beiden die Hausbewohnerin Juliane Gröblin brutal verprügelt. Sie verliert in der Nacht nicht nur ihren Besitz, sondern auch ihr Gehör.
Erst nach Jahren wird Grasel verhaftet. Im Bild: Grasel mit seinen Gefährten Gams (Fähding) und Stangl nach ihrer Verhaftung. © Wikimedia
Zeitstrahl 1806. © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Martin Scheutz, Armut und institutionelle Armenfürsorge. Vom Elend der Zuständigkeit, in: Oliver Kühschelm/Elisabeth Loinig/Stefan Eminger/Willibald Rosner (Hg.), Niederösterreich im 19. Jahrhundert, Bd. 1, St. Pölten 2021, 809–834.

Winfried Platzgummer/Christian Zolles, J. G. Grasel vor Gericht: die Verhörsprotokolle des Wiener Kriminalgerichts und des Kriegsgerichts in Wien, Horn/Waidhofen a. d. Thaya 2013.