Zeichnung vom Zuchthaus Leopoldstadt. Vor dem Tor ist ein großer Platz, auf dem Menschen spazieren. © Wien Museum

Prügel und Hunger:

Das Zucht­haus Leopold­stadt

Das Zuchthaus Leopoldstadt ist ein Ort des Schreckens, die Gefangenen werden mit Prügel zur Arbeit gezwungen. Proteste verbessern ihre Lage.

Joseph Donabauer ist Webergeselle, 21 Jahre alt. Er zieht umher und arbeitet angeblich nicht. Die Obrigkeit will das auf keinen Fall zulassen. Seine Strafe: Ab ins Zuchthaus! 

Mehr als 200 Jahre lang steht in der Wiener Leopoldstadt ein schreckliches Gefängnis: Es heißt Armenhaus, später Zucht- und Arbeitshaus. 1671 ist es eröffnet worden. Über seinem Eingang steht auf Latein geschrieben: „Labore et fame“ – „Mit Arbeit und Hunger“. Mit beidem will man die Gefangenen quälen. Aber wer wird hier eingesperrt? Mörder und Schwerverbrecherinnen? Nicht nur. Die historischen Dokumente zählen auf, wer ins Zuchthaus kommen soll: ungehorsame Kinder, Bettler, trotzige Dienerinnen, unbändige Handwerksburschen und „leichtfertige Weibs-Persohnen“.

Aus dem Jahr 1780 hat sich eine Liste der gefangenen Männer erhalten: Joseph Donabauer ist hier eingetragen, „wegen müssigen Herumziehen“ muss er noch mehr als ein halbes Jahr absitzen. Ein anderer Gefangener heißt Sebastian Stöckel. Das Verbrechen des 26-jährigen Friseurs: Er hat gegen Gott gelästert und gebettelt.

 „Pflanzschule der Verbrecher“

200 Männer und Frauen sind im Zuchthaus Leopoldstadt eingesperrt, später wird es vergrößert und hat Platz für 500 Gefangene. Sie müssen Stoffe erzeugen, Holz schneiden oder am Bau arbeiten. Wer das nicht schafft, wird bestraft und bekommt noch weniger zu essen.

Die Gefangenen werden verprügelt, immer wieder sterben sie an Seuchen.

Besser werden sie dadurch nicht, das wissen auch die Politiker und Philosophen: Der fortschrittliche Denker Joseph von Sonnenfels hat zur Zeit Maria Theresias die Folter abgeschafft. Er nennt das Gefängnis 1784 eine „Pflanzschule der Verbrecher“. Die Häftlinge wehren sich gegen ihre Behandlung. Einige verletzen sich absichtlich selbst, manche können fliehen. 1793, zur Zeit der Französischen Revolution, gibt es sogar einen Aufstand.

Joseph von Sonnenfels kritisiert das Zuchthaus 1784 als „Pflanzschule der Verbrecher“. © Wien Museum

Dank der Proteste verbessert sich die Situation Anfang des 19. Jahrhunderts etwas. Zumindest werden die Gefangenen nicht mehr in der Nacht angekettet. Sie erhalten regelmäßig frische Kleidung und dürfen zu festgesetzten Zeiten im Hof spazieren gehen. Aber sie können wie Tiere im Zoo besichtigt werden: Wer genügend Geld hat, kauft bei der Polizei eine Eintrittskarte und geht ins Zuchthaus Gefangene schauen. 1888 wird das Zuchthaus Leopoldstadt abgerissen. Heute befindet sich dort der Karmelitermarkt. Nichts erinnert mehr an die finstere Geschichte des Ortes.

Am heutigen Karmelitermarkt im 2. Bezirk steht bis 1888 das Zuchthaus Leopoldstadt. © Wien Museum
Zeitstrahl 1780. © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Gerhard Ammerer/Alfred Stefan Weiss, „Damit sie im Arrest nicht schimmlicht werden“. Zucht- und Arbeitshäuser, Freiheitsstrafe und Gefängnisdiskurs in Österreich um 1800, in: Andrea Griesebner/Martin Scheutz/Herwig Weigl (Hg.), Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge (16.–19. Jahrhundert) (= Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 1), Innsbruck 2002, 349–371.