Räuber Grasel und die Hilflosigkeit der Behörden
Im frühen 19. Jahrhundert misstrauen viele Menschen dem Staat. Denn die Behörden sind korrupt und unfähig, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen. Ideale Bedingungen für Grasel, der immer wieder entkommt.
August 1812 in der niederösterreichischen Kleinstadt Horn: In einer Arrestzelle streckt der Amtsschreiber dem Verbrecher Johann Georg Grasel seine Hand entgegen. Nach kurzem Zögern holt Grasel seine goldene Taschenuhr aus der Hosentasche und gibt sie dem Amtsdiener, der sie zufrieden einsteckt.
Nun zeigt der Amtsdiener auf das Fenstergitter, schildert dem Häftling die Schwachstelle der Konstruktion und verspricht nochmals, dass Grasel sicher entkommen wird. Er wendet sich von dem Gefangenen ab und verlässt die Zelle. Grasel wird bald dasselbe tun – allerdings übers Fenster, nicht durch die Tür.
Grasel nützt die Schwäche des Staates aus
Der Räuber und Mörder Grasel stammt aus einer Randgruppe der Gesellschaft. Er ist in einer Abdeckerfamilie aufgewachsen. Die Abdeckereien verwerten Tierkadaver. Ihre Arbeit gilt als unrein. Die „anständigen“ Leute meiden die Abdecker schon deshalb, weil das verwesende Fleisch so stinkt. Die Abdecker bleiben daher unter ihresgleichen. Manche von ihnen arbeiten auch als niedere Gerichtsdiener und oft sind Scharfrichter zugleich Abdecker. Sie haben wenig Grund die Obrigkeit zu mögen, für die sie die Schmutzarbeit tun. Schlechte Bezahlung macht zudem anfällig für Korruption.
All das weiß Grasel für sich zu nützen. Jahrelang zieht er raubend durch das Waldviertel und entkommt den Behörden immer wieder. Korrupte Gerichtsbedienstete verraten es ihm, wenn Streifen und Hausdurchsuchungen bevorstehen. Dreimal gelingt ihm der Ausbruch aus dem Gefängnis.