Eine Frau mit selbstbewusstem Blick geht einen Weg entlang. In einer Hand hält sie einen Koffer. In der anderen einen Schirm.  © Wikimedia, Junge Frau mit Regenschirm und Koffer, Brynolf Wennerberg, um 1920

„Die größte Laden­diebin 

der Welt“

Dora Röber raubt Anfang der 1920er-Jahre mit ihrer Bande tausende Luxusartikel aus Kaufhäusern in Berlin. Zeitungsberichte und Gerichtsakten strotzen nur so vor sexistischen Vorurteilen. Röber selbst versucht, die Vorurteile für ihre Verteidigung zu nützen. 

Kristallene Flakons mit den wertvollsten Düften aus Paris, edle Hutmode der Saison, exquisite Mode. Und dazwischen die Damen der feinen Gesellschaft. Eine andachtsvolle Stimmung herrscht in diesen Hallen, fast wie in einer Kathedrale. Die 43-jährige Dora Röber steht mit zwei Begleiterinnen im vielleicht glamourösesten Ort Berlins: Dem Kaufhaus des Westens, kurz KaDeWe. Sie ist hier, um zu stehlen.  

Die Medien stellen Dora Röber als bürgerliche Frau dar, die vom rechten Weg abgekommen ist. © Wikimedia, Junge Frau mit Regenschirm und Koffer, Brynolf Wennerberg, um 1920

Röber stiehlt nicht nur an diesem Tag. Sie entwendet über Jahre mit ihrer Bande tausende Artikel und füllt ganze Wohnungen mit Raubgut: Seidene Unterröcke, feine Handschuhe und schimmernde Pelzkrägen, aber auch Porzellan und sogar Putzschwämme. So steht es in Zeitungsartikeln und Gerichtsakten der Zeit. Nicht nur beim KaDeWe, sondern auch in vielen anderen feinen Warenhäusern in Berlin. Im Dezember 1921 verhaftet die Berliner Polizei Dora Röber und ihre Diebstahl-Gruppe. 

Sensationslust und Frauenfeindlichkeit

Der Gerichtsprozess um die Bande erregt Aufsehen. Röber ist die Hauptangeklagte. Die Zeitungen berichten ausführlich, Erklärungen suchen sie in Röbers Biografie: Die Angeklagte ist nicht nur wegen Diebstahls vorbestraft, sondern auch zum dritten Mal verheiratet. Ihren „Männerverbrauch” nehmen die Zeitungen als Hinweis darauf, dass Röber eine verkommene Person ist.

Auch ihr Verhalten beim Prozess wundert die Presse. Röber kommentiert und unterbricht, sie bringt den Saal zum Lachen und einmal versucht sie, dem Staatsanwalt ein Wasserglas an den Kopf zu werfen. Ein Reporter meint zu wissen, was es mit Röber auf sich hat: Sie ist „hysterisch, willensschwach und ein Entartungstypus“.

Die Gutachter glauben: Die Periode ist schuld!

Röber bricht viele Regeln, die für eine bürgerliche Frau gelten. 

Beim Prozess fragt man sich tatsächlich: Macht sie das geisteskrank? Ist sie daher für ihre Diebstähle nicht verantwortlich? Das sollen fünf medizinische Gutachten beantworten. In den Gerichtsakten steht: Die Taten begeht Röber „nur während ihrer Periode. Zu dieser Zeit ist sie immer aufgeregt“. Sie schlägt dann angeblich zuhause alles kaputt und ist sich ihrer Handlungen nicht bewusst.

 Von Kleptomanie ist die Rede, einem Zwang zum Stehlen. Das Warenangebot im Kaufhaus gilt als unwiderstehlich. Die zeitgenössische Medizin gesteht bürgerlichen Frauen daher zu, dass sie an dieser Verführung erkranken können. Röber selbst kennt die Argumente und versucht sie zu nützen. Die Gutachten kommen zu dem Schluss, dass sie „hysterisch“ und „nervenschwach“ ist. Sie halten Röber nicht für voll zurechnungsfähig.

 Der Richter folgt der Einschätzung nicht. Er attestiert Dora Röber „Intelligenz, Überlegung und Scharfsinn“ und verurteilt sie zu fünf Jahren Haft.

Dora Röber und ihre Bande rauben in den Warenhäusern Berlins. © Wikimedia, Modas, Rocha Vieira, 15.9.1919
Zeitstrahl 1921 © wasbishergeschah.at