Frauen demonstrieren in Wien für die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs. © CGA/ÖNB Bildarchiv

Recht auf Ab­trei­bung: 

„Was hätte ich mit dem Kinde an­ge­fang­en?“ 

Frauen setzen sich schon in der Ersten Republik für das Recht auf Abtreibung ein. 1975 wird die „Fristenlösung“ durchgesetzt. Trotzdem können Frauen bis heute nicht frei über ihren Körper bestimmen. 

Wien, Juli 1929: Die 18-jährige Hausgehilfin Rosa K. ist schwanger – und verzweifelt. Sie hat ihren Posten verloren und sie hat schon ein Kind, für das sie sorgen muss. Ein zweites kann sie sich nicht leisten. Mit ihrem Geliebten fährt sie aus dem Waldviertel nach Wien. Dort gibt es eine Hebamme, die illegal Abtreibungen vornimmt. Die Sache fliegt auf. Das Gericht verurteilt beide für mehrere Wochen zu strengem Arrest.

Im 18. Jahrhundert steht auf Abtreibung sogar die Todesstrafe. Die wird 1852 abgeschafft, aber es droht weiterhin das Gefängnis. Das Verbot führt dazu, dass viele Frauen heimlich abtreiben. Sie behelfen sich mit Blei und Strom, Seife und Salpetersäure. Manche stürzen sich absichtlich die Treppen hinunter. Andere suchen „Engelmacherinnen“ auf, die oft unter unhygienischen Bedingungen illegal Abtreibungen vornehmen. 

Mit dem Draht eines Kleiderbügels öffnen sie die Fruchtblase. 

Unzählige Frauen kommen dabei ums Leben. Das betrifft vor allem arme Frauen und Arbeiterinnen. Bürgerliche Frauen können sich mit ihrem Hausarzt beraten oder ins Ausland reisen und abtreiben.


„Der Fluch des Mutterschaftszwanges“

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekämpft die sozialdemokratische Frauenbewegung den „Fluchparagraphen“ 144, der Abtreibungen unter Strafe stellt. Bei einer Kundgebung im September 1927 kritisiert Therese Schlesinger, dass Frauen vor allem für zwei Dinge herhalten dürfen: „als Lustobjekt des Mannes und als staatliche Gebärmaschine.“ Die Frauen demonstrieren und bringen Anträge im Parlament ein, um das Gesetz zu verändern. Allerdings scheitern sie an den bürgerlichen Mehrheiten.

Bis 1975 ist der Schwangerschaftsabbruch verboten. © ANNO

Das nationalsozialistische Regime verschlechtert die Lage der Frauen massiv. Nun können sie für eine Abtreibung wieder zum Tod verurteilt werden. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bringt zwar die Rückkehr zu den alten Bestimmungen. Doch damit bleibt es auch weiterhin eine Straftat, wenn Frauen abtreiben.

„Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“

Die Frauenbewegung der 1970er-Jahre fordert erneut, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht bestraft werden darf. Mit dem Slogan „Mein Bauch gehört mir“ fordern sie die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Unterstützung erhalten die Aktivist:innen schließlich von der Sozialdemokratie. Der Druck wirkt: 1975 tritt die „Fristenlösung“ in Kraft. Die Abtreibung bleibt verboten, aber das Gesetz sieht eine Ausnahme vor. Wenn eine Frau ihre Schwangerschaft innerhalb von drei Monaten abbricht, wird sie nicht mehr bestraft. Nach den drei Monaten droht Frauen auch heute noch eine Gefängnisstrafe.

Sozialdemokratische Frauen nehmen den Kampf für die Entkriminalisierung der Abtreibung schon in der Ersten Republik auf. © ANNO
Zeitstrahl 1929 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Maria Mesner, Der Kampf um die Abtreibung: Eine lange Geschichte mit offenem Ausgang, in: Maria Mesner/Heidi Niederkofler (Hg.), Johanna Dohnal. Ein politisches Lesebuch, Wien 2013, 59–73. 

Maria Mesner, Vom §144 zum §97. Eine Reform mit Hindernissen, in: Beharrlichkeit, Anpassung, Widerstand. Die Sozialdemokratische Frauenorganisation und ausgewählte Bereiche sozialdemokratischer Frauenpolitik. 1945–1990. Forschungsbericht, Wien 1993, 377–513.