Wien, Juli 1929: Die 18-jährige Hausgehilfin Rosa K. ist schwanger – und verzweifelt. Sie hat ihren Posten verloren und sie hat schon ein Kind, für das sie sorgen muss. Ein zweites kann sie sich nicht leisten. Mit ihrem Geliebten fährt sie aus dem Waldviertel nach Wien. Dort gibt es eine Hebamme, die illegal Abtreibungen vornimmt. Die Sache fliegt auf. Das Gericht verurteilt beide für mehrere Wochen zu strengem Arrest.
Im 18. Jahrhundert steht auf Abtreibung sogar die Todesstrafe. Die wird 1852 abgeschafft, aber es droht weiterhin das Gefängnis. Das Verbot führt dazu, dass viele Frauen heimlich abtreiben. Sie behelfen sich mit Blei und Strom, Seife und Salpetersäure. Manche stürzen sich absichtlich die Treppen hinunter. Andere suchen „Engelmacherinnen“ auf, die oft unter unhygienischen Bedingungen illegal Abtreibungen vornehmen.
Unzählige Frauen kommen dabei ums Leben. Das betrifft vor allem arme Frauen und Arbeiterinnen. Bürgerliche Frauen können sich mit ihrem Hausarzt beraten oder ins Ausland reisen und abtreiben.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekämpft die sozialdemokratische Frauenbewegung den „Fluchparagraphen“ 144, der Abtreibungen unter Strafe stellt. Bei einer Kundgebung im September 1927 kritisiert Therese Schlesinger, dass Frauen vor allem für zwei Dinge herhalten dürfen: „als Lustobjekt des Mannes und als staatliche Gebärmaschine.“ Die Frauen demonstrieren und bringen Anträge im Parlament ein, um das Gesetz zu verändern. Allerdings scheitern sie an den bürgerlichen Mehrheiten.