23. Dezember 1895 in Floridsdorf am Rand von Wien: Die Dienstmagd Agnes Maschek hat ein uneheliches Kind, das sie nicht ernähren kann. Sie würgt das drei Monate alte Mädchen, bis sie es für tot hält. Dann legt sie das Baby eingehüllt in ein Stück Stoff vor die Tür eines Wohnhauses. Noch ist es am Leben. Mehrere Leute sehen das Bündel, aber beachten es nicht. Eine Frau glaubt, es ist ein Sack Kohle und stößt es mit ihren Holzpantoffeln wie einen Ball gegen eine Wand. Daran stirbt das Kind. Agnes wird ausgeforscht und wegen versuchten Mordes angeklagt.
Uneheliche Kinder sind damals häufig. Mitte des 19. Jahrhunderts kommt jedes zweite Kind in Wien außerhalb der Ehe zur Welt. Die verzweifelte Situation von Agnes ist daher kein Einzelfall. Ledige Mütter arbeiten hart, verdienen aber nur wenig. Sie sind schlecht ernährt und ihre Wohnsituation ist elend. Kirche und Staat werfen ihnen fehlende Moral vor. Daher interessiert es das Gericht, dass Agnes den Vater ihres Kindes „bei der Musik im Prater” kennengelernt hat.
Auch die Tochter von Agnes wird in der Anstalt geboren. Außerdem können Frauen ihre Kinder dem Findelhaus zur Pflege übergeben. Die „Findelkinder” haben allerdings kaum eine Chance. Sie bekommen wenig zu essen, es fehlt an allem. Anfangs überlebt fast keines der Kinder diese ,Pflege’. Um 1900 stirbt immer noch die Hälfte aller Findelkinder.