: Ein Mann mit bauschigem Schnauzer trägt dünne Gummistiefel und einen Fallschirmanzug, der mit Bändern und Schnüren an seinem Körper befestigt ist. Seine Arme streckt er seitlich aus. Er steht breitbeinig vor einer Hausmauer im Freien. © Wikimedia

Mit Bat­man-An­zug in den Tod. 

Ein Schnei­der stürzt sich vom Eiffel­turm

Franz Reichelt erfindet einen Fallschirmanzug, aber seine Konstruktion funktioniert nicht. Er will sie trotzdem spektakulär vorführen.

4. Februar 1912, Paris: Schaulustige und Reporter versammeln sich bei Minusgraden am Eiffelturm. Sie zittern vor Kälte – und Aufregung. Franz Reichelt ist bereit zu springen. Er trägt eine Art Fallschirmanzug, den er selbst erfunden hat. Damit stürzt er sich 57 Meter in die Tiefe. Vor laufender Kamera schlägt er ungebremst am Boden auf. Den Aufprall überlebt er nicht.

Männer, die vom Fliegen träumen – das ist eine Geschichte mit vielen Opfern. 16 Jahre vor Reichelt hat sich der Berliner Otto Lilienthal mit seinem „Flugapparat“ in den Tod gestürzt. Wenige Jahre nach Reichelt werden im Ersten Weltkrieg Piloten zu Helden verklärt. Die meisten von ihnen sind aber vor allem eines: schnell tot. Reichelt will mit seiner Erfindung Leben retten. Sein eigenes verliert er bei dem nutzlosen Spektakel.

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Otto Lilienthal mit Flügelschlagapparat, 1894.

Müssen Superhelden fliegen können?

Piloten imponieren Reichelt. Er ist ein Damenschneider aus Böhmen, der schon seit Jahren in Paris lebt. Von Physik hat er keine Ahnung, aber er kann schneidern. Er will Fallschirmanzüge anfertigen, um Piloten bei einem Absturz vor dem Tod zu bewahren.

Jede freie Minute tüftelt er an seiner Erfindung. Der Fledermausanzug wird wie ein Rucksack am Körper befestigt. Aufgespannt sieht er heutigen Wingsuits ähnlich, wie sie von Extremsportler:innen verwendet werden. Den Anzug testet Reichelt jahrelang an Puppen, die er aus dem Fenster wirft. Die Ergebnisse überzeugen nicht. Trotzdem meldet er seine Erfindung zum Patent an und wagt den Selbstversuch. 1910 springt er aus einer Höhe von sechs Metern – auf einen Strohhaufen, der ihn abfedert.

Zwei Jahre später will er vom Eiffelturm aus zu Boden segeln. Die Polizei erlaubt ihm zwar nur, dass er eine Puppe mit Fledermausanzug hinunterwirft. Der Pionier will aber mehr: Schaulustige und Reporter haben sich versammelt, er muss sich und seine Erfindung beweisen. Als er oben am Turm steht, zögert er. Doch gibt es für ihn kein Zurück: Er springt.

Franz Reichelt kurz vor dem Absprung, 1912. © Wikimedia

Sinnloser Tod, aber richtige Idee.

Reichelts Sprung liefert zwar kein Argument dafür, dass Fallschirme Leben retten. Die Grundidee ist aber richtig: Bald gibt es Fallschirme, die auch tatsächlich funktionieren. Sie gehören daher rasch zur Standardausrüstung von Flugzeugen.

Zeitstrahl 1912 © wasbishergeschah.at