Eine Gruppe von Indigenen in westlichen Festkleidern gehen eine Straße entlang. Links im Bild eine Kirche, rechts Bäume und ein kleiner Hund. Einige Frauen tragen Sonnenschirme.  © Wikimedia

Hochzeitsfotos aus Neuguinea:

Kolonialismus als Mission

Um 1900 beginnt eine deutsche Missionsgesellschaft in Neuguinea Hochzeitsfotos der Einheimischen zu machen. Sie will zeigen, dass sie die Menschen erfolgreich bekehrt hat. Die abgebildeten Personen dienen ihr als Werbematerial. 

„Klick“: Ein Foto wird gemacht. Es zeigt ein Hochzeitspaar vor knapp 120 Jahren. Die Braut im weißen Kleid sitzt, der Bräutigam steht daneben. Ernst schauen sie in die Kamera. Genau mit dieser Pose und diesem Gesichtsausdruck lassen sich damals in Europa viele frisch verheiratete Paare abbilden – das ist Trend. Doch etwas an diesem Foto ist anders: Aufgenommen ist es nicht in Deutschland, sondern in der deutschen Kolonie Neuguinea. Die Eheleute sind auch keine Weißen aus Europa, sondern Indigene. 
Als das Foto aufgenommen wird, werden große Teile der Welt von europäischen Staaten beherrscht. Die Kolonialherren halten Kultur und Religion der Einheimischen für minderwertig. Das gilt auch im deutschen „Schutzgebiet“ Neuguinea. Daher reisen christliche Missionar:innen an, um zur „Zivilisierung“ der Bevölkerung beizutragen. Die katholischen Schwestern und Brüder der „Gesellschaft des göttlichen Wortes“ wollen aus der indigenen Bevölkerung „gute Christenmenschen“ machen. 
1884 hissen die Deutschen ihre Reichsflagge auf der Insel Mioko in Neuguinea. © Wikimedia

Werbung für das Christentum 

Wenn indigene Eheleute eine Hochzeit nach den Regeln des Christentums feiern, gilt das als großer Erfolg: Die Mission hat zwei neue Gläubige für die christliche Kirche gewonnen! Das soll von der Kamera festgehalten werden. Das Foto senden die Missionar:innen nach Deutschland, wo es in einer Zeitschrift der Missionsgesellschaft abgedruckt wird. Das Foto dient als Werbebild. Es soll Leser:innen davon überzeugen, dass es sich lohnt, Geld für die Arbeit der Mission zu spenden. Unzählige Fotos aus den Kolonien werden aus diesem Grund nach Deutschland geschickt.  
Hochzeitsfoto eines westlich gekleideten Ehepaars in Neuguinea, 1907. © Steyler Missionsbote
Die Zeitschrift der Missionsgesellschaft druckt das Foto des Brautpaars ab und schreibt darunter: „Katholisches Ehepaar aus Tumleo“. Wichtig ist also, dass es sich um ein katholisches Paar handelt. Wichtig ist auch der Ort: Tumleo, eine Insel vor der nördlichen Küste von Neuguinea. Unwichtig sind aber offenbar die Namen von Braut und Bräutigam. Die beiden interessieren nicht als Personen mit ihrer eigenen Geschichte. Sie sind Mittel zum Zweck: der anonyme „Beweis“ für den Einfluss der christlichen Mission. 
Zeitstrahl 1900 © wasbishergeschah.at