Linz, 1940: Der Zuhälter Paul Pichler freut sich auf gewinnbringende Geschäfte. Er hat einen Pachtvertrag mit den NS-Behörden unterschrieben, um eine neue Idee zu verwirklichen. Er eröffnet das erste Bordell für ausländische Zwangsarbeiter: Die „Villa Nova“.
Das NS-Regime zieht in Linz große Industrieanlagen hoch, um Eisen, Stahl und Schießpulver für den Krieg zu erzeugen. Das geht nur auf dem Rücken von tausenden Zwangsarbeitern. Das NS-Regime sieht sie als Angehörige minderwertiger „Rassen“, die man brutal ausbeuten darf. Ganz unten stehen für die Nazis die sogenannten „Ostarbeiter“ – vor allem Menschen aus Polen und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion.
Auf Sex mit einer deutschen Frau steht für „Ostarbeiter“ die Todesstrafe. Trotzdem halten die Nazis die vielen tausend männlichen Zwangsarbeiter in und um Linz für eine Bedrohung: Sie fürchten deren sexuelle Bedürfnisse. Mit seinem Bordell für Zwangsarbeiter soll Pichler dem NS-Regime ein Mittel gegen die „Gefährdung des deutschen Blutes“ liefern. Und Pichler selbst kann mit seinem Geschäft viel verdienen.
Unklar ist im Fall der Villa Nova, ob die Prostituierten verschleppt und zur Prostitution gezwungen werden oder ob sie bereits zuvor Sexarbeiterinnen waren. Klar ist aber, dass sie Pichler völlig ausgeliefert sind und dass der Zuhälter in seinem Bordell kein „deutschblütiges Mädchen“ anbieten darf. So steht es in seinem Pachtvertrag mit der Stadt Linz.
Zwangsprostitution als großer Erfolg
Die Organisation der „Villa Nova“ gilt als vorbildlich. Männer stehen in langen Schlangen vor den Türen, um die Prostituierten zu treffen. Die lokale NSDAP-Elite ist erleichtert, dass Pichler sich um diese „unappetitliche Angelegenheit“ kümmert. Die Zahl der „fremdvölkischen“ Arbeiter wächst aber weiter und ein einziges Bordell erscheint den Nazis bald als zu wenig. Das Regime plant sogar, für jede Nationalität ein eigenes Bordell einzurichten. Der Krieg verhindert jedoch die Umsetzung.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dient das ehemalige Bordell als städtische Jugendherberge und Campingplatz. Heute steht an dieser Stelle das Gebäude des Wirtschaftsförderungsinstitutes (WIFI).
Lara Zwettler
Der Beitrag wurde im Rahmen eines Seminars im Masterstudium Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien erarbeitet.
Daniela Ellmauer, Große Erwartungen – Kleine Fluchten. Frauen in Linz 1938–1945, in: Nationalsozialismus in Linz, Bd. 1, Linz 2001, 649–713.
Gabriella Hauch, Ostarbeiterinnen. Vergessene Frauen und Kinder, in: Nationalsozialismus in Linz, Bd. 2, Linz 2001, 1271–1310.