Auf dem Bahnsteig tummeln sich Menschen, rechts und links stehen auf den Gleisen Züge. In der Mitte des Bahnsteigs sind kleine Warteräume, Anzeigetafeln und eine Uhr. © Wikimedia

Gast­arbeiter verboten: 

Wo sich jugo­slawische Arbeiter:­innen in Wien (nicht) treffen können

Lokalverbote für „Ausländer“? Das ist nicht neu. In den 1960er-Jahren müssen Gastarbeiter:innen auf die Bahnhöfe als Treffpunkt ausweichen. 

Im Jänner 2023 verkündet ein Kärntner Wirt, dass er keine „Araber“ mehr bedienen wird. Das ist zwar verboten. Trotzdem hat diese Form der Diskriminierung in Österreich Geschichte. 1970 plakatiert etwa ein Lokal ein Eintrittsverbot für Arbeitskräfte aus Jugoslawien.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg boomt die Wirtschaft in Österreich. Seit 1966 werden Männer und Frauen aus Jugoslawien angeworben. Sie sollen den hohen Bedarf an Arbeitskräften decken. Sie arbeiten auf Baustellen, in Fabriken und Hotels. Die Arbeit ist hart und wird schlecht bezahlt. Die angeworbenen Migrant:innen werden als „Gastarbeiter:innen“ bezeichnet. Denn die Regierung will, dass sie nach getaner Arbeit rasch in ihr Herkunftsland zurückkehren.

In den 1960er- und 1970er-Jahren arbeiten Gastarbeiter:innen vor allem auf Baustellen, in Fabriken und Hotels. © Wikimedia

Die jugoslawischen Arbeiter:innen werden aber nicht wie Gäste behandelt. Weder in der Arbeit noch im Alltag. In ihrer Freizeit müssen sie ihr Schlafquartier verlassen. Dort ist es eng und überfüllt. In vielen Lokalen sind sie aber unerwünscht und müssen andere Orte aufsuchen. Bald wird der Wiener Südbahnhof zu einem wichtigen Treffpunkt.

Der Bahnhof ist „eine Art Börse“

Am Bahnhof können sie zusammenkommen, ohne ihr hart verdientes Geld für Getränke ausgeben zu müssen. Hier ist es auch im Winter warm, weil die Räume beheizt werden. Und die Arbeiter:innen können neue Leute kennenlernen. Sie erfahren Tratsch und Klatsch, aber auch wichtige Informationen über die Heimatgemeinde, und sie tauschen sich über Jobangebote aus. Sie geben den Reisenden Briefe und Pakete für die Familie mit oder empfangen Zusendungen von Verwandten und Freunden. Der Südbahnhof ist eine Art erweitertes Wohnzimmer und ein guter Ersatz für das Postamt. Das ist nicht nur in Wien so. Die jugoslawische Zeitschrift Yu Novosti berichtet im Dezember 1971: „Bahnhöfe, immer größer in Westeuropa, haben Freunde, Verwandte, Bekannte ersetzt. […] 
Da werden Nachrichten gehört, Erfahrungen ausgetauscht, er ist eine Art Börse.“

Viele wollen aber am liebsten, dass die Gastarbeiter:innen in ihrer Freizeit unsichtbar bleiben. Der Wiener Bürgermeister Felix Slavik startet eine Kampagne mit dem Titel: „Finger weg vom Bahnhof“. Er will ein eigenes Gastarbeiterquartier in der Nähe des Bahnhofs eröffnen. Die jugoslawischen Arbeiter:innen sollen ihre Freizeit vom Rest der Bevölkerung getrennt verbringen. Umgesetzt wird dieser Plan nicht.

Zunehmend organisieren sich die Migrant:innen auch andere Treffpunkte als den Bahnhof. Sie gründen Vereine, Cafés und Restaurants. Viele davon gibt es bis heute.

Zeitstrahl 1960 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Vladimir Ivanović, „Nostalgija za prugom.“ Das Freizeitverhalten jugoslawischer Gastarbeiter in der BRD und in Österreich, in: Hannes Grandits, Holm Sundhaussen (Hg.), Jugoslawien in den 1960er Jahren. Auf dem Weg zu einem (a)normalen Staat?, Wiesbaden 2013, 135–154.