21. Mai 1804, Paris: Am Stadtrand öffnet der Friedhof Père Lachaise seine Tore. Es ist eine große Anlage mit Wegen, Wiesen und eigens gepflanzten Bäumen. An diesem Tag wird hier als erste Adélaïde Paillard de Villeneuve begraben. Über sie weiß man nicht viel. Sie war fünf Jahre alt und aus einfachen Verhältnissen. Die Kindersterblichkeit ist damals hoch.
Ungewöhnlich ist nicht ihr Tod, sondern der Ort, an dem sie bestattet wird. Denn zum ersten Mal sieht ein Friedhof so aus, wie wir ihn heute kennen. Andere Städte folgen dem Beispiel: London erhält den Brookwood Cemetery, Wien den Zentralfriedhof und Hamburg den Friedhof Ohlsdorf.
Kirchhöfe sind bis dahin klein. Die Toten liegen in Massengräbern dicht nebeneinander. Am größten Kirchhof in Paris sind auf der Fläche eines Fußballfeldes zwei Millionen Menschen begraben. Das sind 300 Tote pro Quadratmeter. Grabsteine gibt es fast keine.
Um 1800 stellt die Wissenschaft fest, dass so viele Tote mitten in der Stadt für die Lebenden ungesund sind. Und die Städte wachsen. Sie brauchen den Platz der Kirchhöfe, die oft zentral liegen.
Außerdem wünschen sich die Menschen Orte der Erinnerung. Jeder Tote soll nun sein eigenes Grab erhalten. Am Stadtrand gibt es den dafür nötigen Raum. Zwar können sich nur wenige ein aufwändiges Grabdenkmal leisten. Aber alle Toten bekommen eine Geschichte: Die Grabsteine geben nicht nur den Namen, sondern oft auch Geburtstag, Todestag und Beruf an.
Ausflugsziel Friedhof
Die Friedhöfe selbst werden zu weitläufigen Parks. Sie sollen den Toten zur Ruhe dienen –und den Lebenden zur Entspannung. Viele Menschen besuchen den Friedhof in ihrer Freizeit, sie gehen spazieren oder joggen. In Wien wird der Friedhof sogar zum Thema des Austropop. 1975 singt Wolfgang Ambros: „Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten!“
Erin-Marie Legacey, Making Space for the Dead. Catacombs, Cemeteries and the Reimagining of Paris 1780–1830, New York 2019.