Venedig im 15. Jahrhundert mit Häusern, Palästen und Schiffen. Im Hintergrund befinden sich Inseln und grüne Hügel.  © Wikimedia

CSI Venedig:

Giftmörderinnen auf der Spur?

Vor 600 Jahren wird eine Sklavin hingerichtet, weil sie angeblich ihren „Herrn“ vergiftet hat. Das Tatmotiv: Er hat sie ausgepeitscht. Als Gegenmaßnahme werden neue Gesetze eingeführt. Doch die schützen nicht die Sklavinnen vor Gewalt, sondern die Sklavenbesitzer:innen. 

Juni 1410, Venedig: Die Sklavin Bona Tartara wird von einem Pferd durch die Stadt geschleift und danach auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ihr wird vorgeworfen, dass sie ihren Herrn aus Rache mit Arsen vergiftet hat. Die Vorgeschichte zum angeblichen Racheplan: Der junge Adelige hat erfahren, dass „seine“ Sklavin schwanger ist und sie deshalb mit einem Lederriemen ausgepeitscht. 

Nach der Hinrichtung werden neue Gesetze beschlossen. Nicht, um die Sklavinnen besser vor Misshandlung zu schützen, sondern damit sich ihre Besitzer:innen weniger vor Rache fürchten müssen. Kleine Apotheken und Privathaushalte dürfen nun keine tödlichen Gifte mehr lagern. Diese Substanzen werden nur mehr von zwei großen Apotheken verkauft. Die sind verpflichtet, die giftigen Inhaltsstoffe sicher zu verwahren. Kund:innen brauchen eine Erlaubnis der Behörden, wenn sie Gift kaufen wollen.  Außerdem dürfen die Signori di Notte, eine Art nächtliche Polizei, verdächtige Personen unter Folter befragen.

Arsen, Eisenhut und Lilienwurzeln

In den nächsten zwei Jahrzehnten häufen sich solche Fälle in Venedig: Immer mehr ausländischen Sklavinnen wird vorgeworfen, dass sie adelige Männer, Frauen und Kinder vergiftet haben. In allen Prozessen wird neben der Sklavin eine weitere Frau aus der Nachbarschaft angeklagt. Diese Frauen sollen den Sklavinnen geholfen oder sie zum Mord angestiftet haben. Die Frauen werden beschuldigt, mit Arsen, Eisenhut und Lilienwurzeln gemordet zu haben. Auch Menstruationsblut findet sich in der Liste der angeblich verwendeten Gifte.
Die Angeklagten teilen das Schicksal der Bona Tartara: Sie werden zum Tod verurteilt. 

Blauer Eisenhut wurde zur Giftherstellung verwendet. © WIkimedia

Sklavinnen als Sündenböcke

600 Jahre später kann man nur mutmaßen, was damals wirklich passiert ist. Greifen Sklavinnen im frühen 15. Jahrhundert tatsächlich häufiger zu Gift, um sich gegen ihre Herren zu wehren? Oder führt der prominente Fall der Bona Tartara dazu, dass Adelige bei ungeklärten Todesfällen ihre Sklavinnen öfter verdächtigen? Überliefert sind nur die Gerichtsprotokolle. Sie zeigen die Sichtweise der Mächtigen, nicht der verfolgten Frauen.

Klar ist, dass Sklavinnen zu dieser Zeit kaum Möglichkeiten haben, sich gegen den Vorwurf eines Giftmordes zu wehren. Sie werden unter Folter befragt. Die Justiz misstraut ihnen schon deshalb, weil sie Fremde und Frauen sind. Das macht sie zu geeigneten Sündenböcken. Die Prozesse nützen auch den großen Apotheken, die oft reichen Adeligen gehören. Die giftmischenden Frauen dienen als Schreckensszenario. So lässt sich leichter argumentieren, dass nur die Apotheken Medikamente und Gifte verkaufen dürfen. 

Zeitstrahl 1410 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Juliane Schiel, Mord von zarter Hand. Der Giftmordvorwurf im Venedig des 15. Jahrhunderts, in: Stefan Hanss, Juliane Schiel (Hg.), Mediterranean slavery revisited (500–1800). Neue Perspektiven auf mediterrane Sklaverei (500–1800), Zürich 2014, 201–228.