Die Pflegeeltern brauchen das Geld und die zusätzlichen helfenden Hände am Hof. Das Jugendamt will Kosten einsparen. Die Leidtragenden sind die Kinder. Mit bis zu neun anderen Pflegekindern hausen sie auf den kleinen, heruntergekommenen Bauernhöfen. Sie bekommen weniger Essen und schlechtere Kleidung als die leiblichen Kinder. Zwar gehen die Pflegekinder zur Schule, doch niemand interessiert sich für ihre Ausbildung. Gut genug sind sie in den Augen der Pflegeeltern nur für die Mitarbeit am Hof. „Viecher sind dort besser behandelt worden“, erinnert sich Albert Riedl.
Ausgrenzung und Gewalt
In den Familien und im Dorf werden Pflegekinder ausgegrenzt und als „Fürsorgekrüppel“ beschimpft. Zudem gehört massive körperliche Gewalt für viele Pflegekinder zum Alltag. Albert Riedl wird mehrmals von seinem Pflegevater und dessen Sohn bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt und gewürgt. Ein großer Teil der Pflegekinder wird wiederholt Opfer von sexueller Gewalt.
Vergessen, Verschwiegen, Vertuscht
Bei ihren Kontrollen in den Pflegefamilien bemerken die Beamten des Jugendamts nichts von diesen Zuständen. Dafür sorgen die Pflegeeltern: Die Kinder werden durch Drohungen zum Schweigen gebracht. Das Jugendamt scheint sich aber auch nicht über die schweigsamen, verstörten Kinder zu wundern. Erst Ende der 70er-Jahre wird das System der Pflegefamilien reformiert. Von den Behörden werden die Misshandlungserfahrungen nie aufgebarbeitet. Viele ehemalige Pflegekinder leiden bis heute an den traumatischen Erlebnissen in ihrer Kindheit.