Staat und Medien gegen die „Halbstarken“
Am Polizeikommissariat Leopoldstadt werden sie zu ein oder mehreren Tagen Polizeiarrest verurteilt. Diese Strafe hat das nationalsozialistische Regime eingeführt und gegen aufmüpfige Jugendliche – die sogenannten „Schlurfs“ – eingesetzt. Die Republik hat das beibehalten. Die Zeitungen toben und verurteilen die „Rowdies“. Fast jeden Tag erscheinen damals Artikel gegen die „Halbstarken“, die „Schlurfs“ und die „Plattenbrüder“. „Platte“ ist ein alter Wiener Ausdruck für Jugendgruppen in den Arbeiterbezirken. Manchmal sind damit aber auch Banden von kleinen Gaunern gemeint. Kriminelle oder Jugendliche, die sich zum Vergnügen in Parks oder auf der Straße treffen – für die Presse macht das keinen Unterschied. Sie wirft alle in einen Topf.
Ein Journalist versteht die Jugendlichen
Unter den Journalisten gibt es aber eine Ausnahme: Der Fotoreporter Harry Weber arbeitet für die Wochenzeitung „Stern“. Er möchte die andere Seite hören: Wenige Tage nach dem Polizeieinsatz geht er zur Augartenbrücke und spricht dort mit den Jugendlichen. Eine davon ist eine Hilfsarbeiterin, die fürs Rock’n’Roll-Tanzen vier Tage Arrest ausgefasst hat. Die Zeitungen bezeichnen sie als „Halbstarken-Braut“, als weiblichen „Boß“ der Jugendlichen. Margit ist 17 Jahre alt, hat einen 15-jährigen Freund und arbeitet in einer Floridsdorfer Fabrik.