Trotzdem kommt es zu einem Prozess. Vor Gericht gibt der Angeklagte den Geschlechtsverkehr zu, verteidigt sich aber damit, dass er die Magd als unehrenhafte Frau bezeichnet. Die ausschließlich männlichen Richter verurteilen ihn trotzdem, er kommt aber mit einer Geldstrafe davon. Er wird auch nicht wegen seiner Gewalttat verurteilt, sondern wegen Ehebruchs.
Einen Fall von „Notzucht“ wollen die Richter nicht erkennen. So wird damals eine sexuelle Gewalttat benannt, über die wir als Vergewaltigung sprechen würden. Damit ist heute die Vorstellung verbunden, dass ein solcher Übergriff die Menschenwürde einer Frau verletzt. Den Gerichten des 16. Jahrhunderts ist das fremd. Ihnen geht es um Sünde und Ehre. Die verletzte Ehre kann auch dadurch wieder hergestellt werden, dass der Vergewaltiger die vergewaltigte Frau heiratet.
Francisca Loetz, Them too? Überlegungen zur Erforschung sexualisierter Gewalt im frühneuzeitlichen Europa, in: L'homme: Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft, 32/2 (2021), 117–125.