In der Bildmitte ein erdiger Weg, auf dem ein Mann eine Leiter trägt. Rechts und links sammeln Frauen in Kleidern Kaffeebohnen von Sträuchern. Im Hintergrund Hügel und Himmel. © Wikimedia

Den Gutsbesitzern ausgeliefert. 

Österreichische Auswanderer in Brasilien

Heute arbeiten ausländische Arbeitskräfte auf den österreichischen Feldern – oft unter miserablen Bedingungen. In den 1920er-Jahren hoffen viele Österreicher:innen auf ein besseres Leben in Brasilien – und werden auf Plantagen ausgebeutet.

Ein Gedanke spukt schon seit Wochen in Karls Kopf herum: Brasilien. Sein Cousin ist schon dort. Jetzt, wo er keine Arbeit mehr hat, überlegt auch Karl es ihm gleichzutun. Erst vor kurzem hat er im „Auswanderer“ über die angeblichen Chancen der Emigration gelesen. Soll er es wagen? 

Die wirtschaftliche Lage in Österreich ist unsicher. Der christlich-soziale Bundeskanzler Ignaz Seipel hat 1922 die sogenannten „Genfer Protokolle“ unterzeichnet, um Kredite aus dem Ausland zu erhalten. Diese Kredite sind an ungünstige Bedingungen geknüpft. Unter internationaler Aufsicht betreibt die Regierung eine harte Sparpolitik. Das lässt die Arbeitslosigkeit stark ansteigen.

Viele sehen in einer Auswanderung ihre einzige Chance. Auch so manche Politiker halten die Emigration von Österreicher:innen für eine gute Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit zu „verlagern“. Informationen über das südamerikanische Land werden vom österreichischen Wanderungsamt eingeholt und verbreitet. Es gibt Artikel und Vorträge, die auf das Leben im Ausland vorbereiten sollen. 

„Bilder aus Brasilien“: Zeitungen berichten 1923 von den „Österreichern im Auslande“. © Anno ÖNB

Arbeit auf Kaffeeplantagen

Doch das neue Leben in Brasilien ist anders als erwartet. Allein das tropische Klima ist bereits eine Herausforderung. Vor allem aber liegt das Schicksal der Neuankömmlinge oft in den Händen der Fazendeiros – der Gutsbesitzer. 

Arbeitnehmer:innen haben praktisch keine Rechte, 12 bis 14 Stunden Arbeit pro Tag sind üblich. 

Auch Karl arbeitet seit kurzem im Bundesstaat São Paulo auf einer Kaffeefazenda, die besonders viele Plantagenarbeiter anwirbt. Die Reisekosten hat ihm die Fazenda vorgestreckt. Jetzt muss er sie abzahlen. Das kann Jahre dauern. Die Hälfte seines Lohnes erhält Karl nicht als Bargeld, sondern in sogenannten „Anteilscheinen“. Sie gelten nur im Geschäft des Fazendabesitzers, wo er damit Waren zu überhöhten Preisen kaufen kann. Die Fazenda darf er nur verlassen, wenn er dafür eine Erlaubnis eingeholt hat. Karl hat auf sozialen Aufstieg gehofft. Die Wirklichkeit schaut anders aus.

Zeitstrahl 1923. © wasbishergeschah.at