Drei Frauen, davon zwei in Arbeitskleidung mit Kleid und Schürze, stehen vor dem Eingangstor zu einer Nobelvilla mit Eckturm. Ein Kind sitzt neben ihnen auf einem Stuhl am Gehweg. Am Balkon der Villa steht ein Mann. Hinter dem Gartenzaun sind Bäume.  © ÖNB Bildarchiv

Den Dienst­mädchen 

ihr Recht?!

Pflegerinnen in der 24-Stunden-Betreuung leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen. Ihre Anstellung ist zwar seit 2007 gesetzlich geregelt. Geändert hat sich dadurch aber wenig. Die Frauen arbeiten bis zur völligen Erschöpfung, der Lohn ist weiterhin schlecht. Ähnlich geht es den Dienstmädchen vor 100 Jahren. Das Hausgehilfengesetz von 1920 soll bessere Arbeitsbedingungen bringen – und scheitert.

Wien, 1900: In den Palais der Adeligen und des Bürgertums wird getanzt, gegessen, gefeiert. Wenn die Hausherren ihre luxuriösen Bälle veranstalten, bedeutet das für ihre Dienstmädchen vor allem eines: sehr wenig Schlaf. Marie Konheisner erinnert sich: „Tage zuvor standen wir schon bis ein oder zwei Uhr in der Nacht in der Küche, und um halb sechs hieß es wieder aufstehen.“ 

100.000 Frauen arbeiten in Wien damals als Dienstmädchen in bürgerlichen und adeligen Haushalten. Die Arbeitsbedingungen sind hart, der Lohn meist schlecht. Die Frauen arbeiten oft bis spät in die Nacht. Pausen gibt es kaum. So geht es auch Marie. Als junge Frau geht sie aus Steyr nach Wien, um eine Stelle als Dienstmädchen zu finden. Ihr erstes Zimmer ist ein „finsteres Loch“, ihre Chefin ist „aufbrausend“. Sie dient der Familie Kövess über Jahrzehnte hinweg von früh bis spät. Als sie 1958 stirbt, reicht ihr Erspartes nicht einmal aus, um davon die Begräbniskosten zu bezahlen.

Um 1900 arbeiten 100.000 Frauen in Wien als Dienstmädchen. © Wikimedia

Die Dienstmädchen müssen nicht nur hart arbeiten. Sie sind auch der Willkür und Gewalt des Hausherrn ausgesetzt. Dieser hat bis 1911 das Recht, „sein“ Dienstpersonal körperlich zu züchtigen. Er darf sie also schlagen. Viele Dienstmädchen werden auch sexuell belästigt oder vergewaltigt. Eine zentrale Forderung ist daher, dass ihr Zimmer eine Tür hat, die sich zusperren lässt.

Ein Gesetz muss her

Nach dem Ende der Monarchie soll sich die Lage der Dienstmädchen endlich verbessern. 1920 beschließt das Parlament das Hausgehilfengesetz. Auf dem Papier haben Dienstmädchen nun bessere Rechte. Das Gesetz sieht eine Beschränkung der maximalen Arbeitszeit vor: 13 Stunden pro Tag. In der Nacht stehen den Dienstmädchen nun neun Stunden Ruhe ohne Unterbrechung zu. Sie haben Anspruch auf eine Woche Urlaub pro Jahr und auf Lohnfortzahlung, wenn sie krank sind. Auf ausreichendes und gesundes Essen; und endlich auch auf einen Schlafraum, den sie zusperren können. 

Das Gesetz ist ein Meilenstein, in der Praxis ändert es allerdings wenig. 

1926 befragt die Sozialwissenschaftlerin Käthe Leichter im Auftrag der Arbeiterkammer über 2.800 Dienstmädchen zu ihrem Arbeitsalltag. Zwei Drittel müssen immer noch mehr als 13 Stunden arbeiten. Mindestlöhne werden nicht eingehalten. 40 Prozent können ihren Schlafraum noch immer nicht zusperren. In keinem anderen Beruf wird so oft gegen geltendes Arbeitsrecht verstoßen. Das liegt auch daran, dass die Gewerbeinspektion private Haushalte nicht kontrolliert. 

Zeitstrahl 1920 © wasbishergeschah.at