Drei Frauen mit Kopftüchern und Körben gehen auf einem Kartoffelfeld hinter einem Karren her. Den Karren schiebt ein Mann mit Hut. Am Horizont befinden sich Bäume und Gebäude.  © ÖNB Bildarchiv, Kartoffelernte, 1930.

Schutzlos 

schwanger

Heute bleiben Frauen in der Zeit vor und nach einer Geburt zu Hause, um sich und ihr Baby zu schützen. Vor gut 100 Jahren ist das in Österreich noch anders: Hochschwanger und direkt nach der Geburt müssen Mägde von früh bis spät hart arbeiten. Roserl verletzt sich dabei so, dass sie nie mehr ganz gesund wird. 

1919, Pettenbach in Oberösterreich: Nach dem Tod ihrer Mutter zieht Roserl zu einer Tante und einem Onkel auf den Bauernhof. Dort arbeitet sie als Magd, damit sie den Verwandten nicht zur Last fällt. Doch weil sie zur Familie gehört, bekommt sie für ihre Arbeit keinen Lohn ausgezahlt.

Ihre Zieheltern sind sehr streng. Nur heimlich kann Roserl ihren Freund Toni treffen. Doch Roserls Situation verschlimmert sich sogar noch:  Sie wird ungeplant schwanger. Heiraten und eine Familie gründen können Roserl und Toni aber nicht – dafür haben sie zu wenig Geld. 

An die Arbeit

Roserl muss weiterhin am Bauernhof schuften. Ihre Verwandten hoffen, dass die harte Arbeit eine Fehlgeburt auslöst. Auch als Roserl hochschwanger ist, darf sie sich nicht ausruhen. Ihre Tochter Theresia kommt einen ganzen Monat zu früh auf die Welt. Roserl darf ihr Baby nicht behalten: Sie muss es an Pflegeeltern abgegeben. So wird auch die kleine Theresia als Magd aufwachsen. 

Die Kinder der Mägde wachsen oft bei Pflegefamilien auf und müssen früh hart arbeiten. © ÖNB Bildarchiv, Kinder, 1930.

Roserl bekommt kaum Zeit, um sich von Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Nach nur drei Tagen muss sie wieder an die Arbeit. Sie schleppt viel zu schwere Eimer mit Wasser für die Tiere. Das führt zu inneren Verletzungen – wahrscheinlich an ihrer Gebärmutter. Aus Scham geht sie nicht zum Arzt. Sie hat ihr ganzes Leben lang Schmerzen und stirbt früh.

Ähnliche Schicksale

Roserls Geschichte ist kein Einzelfall: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts müssen viele Kinder und Jugendliche auf fremden Höfen arbeiten. Ihre Eltern sind arm und können sie nicht versorgen. Für Mädchen und junge Frauen gelten besonders strenge Regeln: Sie arbeiten jeden Tag viele Stunden lang auf Feldern, im Wald, im Stall und im Haus. Am Sonntag müssen sie die Kirche besuchen. Ausgehen dürfen die meisten von ihnen nicht.

Wird eine Magd schwanger, erwarten die Bauern von ihr trotzdem die gleiche Arbeit. © ÖNB Bildarchiv, Knechte und Mägde in Gößl am Grundlsee, 1920.

Wenn sie schwanger werden, sind die Frauen auf sich allein gestellt. Die Bauern erwarten, dass sie weiterhin die gleiche Arbeit leisten. Nicht wenige Frauen erleiden Fehlgeburten. Babys sterben, weil sich niemand um sie kümmern kann. Kinder wachsen bei fremden Familien auf, für die sie harte Arbeit leisten. An die Pflegefamilie müssen die Mütter der Kinder auch noch eine große Menge Geld abgeben. Oft ist das ein großer Teil ihres Lohns.


Julia Tyll-Schranz

Zeitstrahl 1920 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Therese Weber (Hg.), Mägde. Lebenserinnerungen an die Dienstbotenzeit bei Bauern (Damit es nicht verlorengeht…), Wien/Köln/Graz 1985.