Gemälde, auf dem ein Arbeiter in einem Industrieviertel vor einem wütenden Mob davonläuft. © Wikimedia / Herbert von Reyl-Hanisch

"Sim­me­ringer Blut­sonn­tag":

Nazi-Terror und Poli­zei­gewalt

Nazis marschieren in Wien auf, um ihre Macht zu demonstrieren. Von der Polizei haben sie nichts zu befürchten, die Arbeiter hingegen schon.

16. Oktober 1932, Wien-Simmering. Hunderte Nationalsozialisten ziehen durch den Arbeiterbezirk: „In der Hand die Stahlrute, auf den Kappen den Totenkopf.“ Sozialdemokraten stören den Aufmarsch, indem sie die Vorbeiziehenden beschimpfen. Einige Nationalsozialisten dringen zum Arbeiterheim vor. Dort stoßen sie auf bewaffnete Arbeiter, die das Heim bewachen. Die Situation eskaliert. Im Kugelhagel sterben vier Menschen. 

Auf dem rechten Auge blind: die Polizei

Polizisten greifen ein, allerdings nicht gegen die Nazis. Sie brechen das Tor mit einer Gartenbank auf und stürmen das Arbeiterheim. Sie reißen Uhren und Bilder von der Wand und beschädigen eine Büste des Gründers der Sozialdemokratie Victor Adler. Die Sozialdemokraten bekommen „die polizeilichen Gummiknüppel zu spüren“. Das verwüstete Gebäude gibt die Polizei erst nach drei Tagen wieder frei.

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Nach der Schießerei durchsuchen Polizisten das Arbeiterheim in der Drischützgasse und verhaften 67 Personen.

Sie verhaftet über hundert Personen. 16 Arbeiter werden angeklagt, elf vom Gericht freigesprochen; allerdings erst, nachdem der Oberste Gerichtshof im Mai 1933 das Urteil bestätigt hat. Fünf Angeklagte bleiben in Haft.

Auch dort geht die Gewalt weiter. Die sozialdemokratische Zeitung „Der Eisenbahner” berichtet: „Verhaftete Schutzbündler werden halbtot geprügelt. Polizei und Justiz sehen allem, was links geschieht, scharf auf die Finger, dafür ruhen sie ihre ermüdeten Blicke aus, wenn sie nach rechts gucken sollen.“

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Bei dem Angriff auf das Arbeiterheim sterben vier Menschen, zwei Nationalsozialisten, ein Polizist und ein Passant.
Zeitstrahl 1932 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Gerhard Botz, Gewalt und Bürgerkrieg im Österreich der Zwischenkriegszeit, in: Norbert Leser (Hg.), Macht und Gewalt in der Politik und Literatur des 20. Jahrhunderts, Wien 1985, 87–106.

Rudolf Neck, Simmering 1932, in: Karl R. Stadler (Hg.), Sozialistenprozesse. Politische Justiz in Österreich 1870–1936, Wien/München/Zürich 1986, 253–267.