Fotografie des Nordbahnhofs © ÖNB Bildarchiv

Tor zur Hölle:

Der Nord­bahnhof im National­sozialismus

Heute entstehen im Nordbahnviertel tausende neue Wohnungen. Im Zweiten Weltkrieg wurden tausende Menschen von dort in Konzentrationslager verschleppt. 

25. Oktober 1943 in Wien: Die Gestapo verhaftet den 18-jährigen Hilfsarbeiter Friedrich Braun. Sein Verbrechen: Er ist seinem Arbeitsplatz unentschuldigt ferngeblieben und hat Lebensmittel im Schleichhandel gekauft. Vom Nordbahnhof wird er nach Auschwitz verschleppt. Dort stirbt er am 22. Jänner 1944.

Von 1943 bis Kriegsende werden über 2.000 Menschen vom Nordbahnhof in den Tod geschickt. Der reguläre Eingang zum Bahnhofsgebäude wird gemieden. Juden und Jüdinnen werden an der Postrampe „einwagoniert“, wie es damals heißt. Der Nordbahnhof ist die einzige direkte Verbindung von Wien in das Vernichtungslager Auschwitz.

Im Nationalsozialismus fahren Züge vom Nordbahnhof direkt in das Vernichtungslager Auschwitz. © Wikimedia

Wer waren die Opfer?

Die Nationalsozialisten definieren, wer als jüdisch gilt und wer nicht. Schon seit 1939 werden die als jüdisch eingestuften Menschen deportiert und ermordet. Juden und Jüdinnen, die 1943 noch in Wien leben, gehören einer „Mischehenfamilie“ an, besitzen eine ausländische Staatsbürgerschaft oder haben eine Funktion beim „Ältestenrat“, der Nachfolgeorganisation der Israelitischen Kultusgemeinde. Sie sind in Lebensgefahr. Wenn zum Beispiel der nicht-jüdische Partner stirbt oder die Ehe scheitert, droht die Verschleppung in ein Konzentrationslager.

Ab 1939 werden als jüdisch eingestufte Menschen deportiert und ermordet. © Wikimedia
Der Nordbahnhof ist der zentrale Deportationsort der Wiener Gestapo.

Ihre Tagesberichte dokumentieren, welche „Vergehen“ die Personen begangen haben, die vom Nordbahnhof deportiert werden. Schon der Versuch, am Schwarzmarkt oder bei Bauern an Lebensmittel zu gelangen, kommt einem Todesurteil gleich. Die antijüdische Gesetzgebung hat sich immer weiter verschärft: Juden und Jüdinnen dürfen keine Haustiere halten und keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, ab 1942 sind sie vom Schulbesuch ausgeschlossen und sogar der Kauf von Eiern, Fleisch und Mehl ist ihnen untersagt.

Nordbahnhof: Vom Trümmerhaufen zum Bobo-Viertel

Der Luftkrieg setzt dem Nordbahnhof schwer zu. Gegen Kriegsende wird er von Bomben schwer beschädigt und nicht mehr in Betrieb genommen. 1965 wird das Gebäude gesprengt.

Bis in die 2000er-Jahre heißt das Gelände im Volksmund „Alliiertenviertel“ nach der angrenzenden Alliiertenstraße. Erst seit 2010 setzt sich die Bezeichnung „Nordbahnviertel“ durch. Heute erinnert nichts mehr an den dunklen Schreckensort von damals.

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