Auf einem gepflasterten Platz umgeben von Gebäuden stehen zwei Busse. Zwischen den leeren Bussen stehen mehrere Dutzend Menschen. © Wikimedia, Pressestelle der Diakonie Neuendettelsau, Aktion T4 (Diakonie Neuendettelsau), 1941

Ver­wal­te­te Mor­de  –  

ein Dorf und sei­ne „Erb­kran­ken“ in der NS-Zeit

Ab 1940 tötet das NS-Regime systematisch Menschen mit psychischer oder physischer Behinderung. Auch in kleinen Landgemeinden hilft die lokale Verwaltung Ortsangehörige auszusortieren.

Februar 1940: Hektische Tage im Gemeindebüro von Frankenfels in Niederösterreich. Die Bediensteten müssen für das St. Pöltner Gesundheitsamt eine Liste zusammenstellen. Sie soll alle psychisch und körperlich kranken Menschen aus dem Ort nennen. Die Gemeinde ist damit spät dran. Nun soll zumindest genau gearbeitet werden. Der Gemeindesekretär schreibt der Heilanstalt in Mauer-Öhling, um Informationen über Patient:innen aus Frankenfels zu erhalten. Schließlich kann Bürgermeister Franz Labner die gewünschte Liste an das Gesundheitsamt schicken. Er entschuldigt sich für die Verspätung und teilt mit, dass es 11 „erbkranke Personen der Gemeinde Frankenfels“ gibt.

Das Nationalsozialistische Regime hat keinen Platz für Personen, die es körperlich oder geistig für „unbrauchbar“ hält. Ab 1940 werden sie bei der sogenannten „Aktion T4“ getötet. 
Die Nationalsozialisten nennen das „Erbgesundheitspolitik“

und ermorden bis Ende des Jahres 1941 70.000 Menschen.

Die Gemeinde Frankenfels schickt eine Liste mit elf „erbkranken Personen“ an das Gesundheitsamt. Für die Betroffenen hat das rasch fatale Folgen. © Gemeindearchiv Frankenfels, Tag der nationalen Arbeit mit Maibaum, 1939

Zuerst Listen, dann Misshandlung und Ermordung 

Margarete Kogler ist aus Frankenfels. Als der Gemeindesekretär bei der Heilanstalt Mauer-Öhling anfragt, hält sie sich dort zur Pflege und Genesung auf. Sie ist psychisch krank und der Gemeindesekretär trägt sie in seine Liste der „erbkranken Personen“ ein. Das hat rasch Folgen. Im April verhängt ein Arzt des St. Pöltner Gesundheitsamtes ein Heiratsverbot über Margarete Kogler. Der Grund: „manischer Verwirrtheitszustand“. Später wird die Frau von Ärzten zwangsweise sterilisiert.

Die Frankenfelser Liste führt auch Robert Wagner an. Er ist seit 1936 Patient in Mauer-Öhling. Aufzeichnungen der Gemeinde überliefern als Diagnose: „Jugend-Irrsein“. Im Frühjahr 1940 begutachtet eine Kommission alle Patient:innen der Heilanstalt. Die Ärzte entscheiden, dass Robert Wagner vergast werden soll. Sein genauer Todestag ist unbekannt. Bekannt ist, dass er am 26. Juli 1940 in Hartheim eintrifft. Dieses Datum steht auch auf Wagners Grabstein. Gesichert ist ebenso, dass er in der Tötungsanstalt vergast wird. Zusammen mit 49 anderen Personen aus Mauer-Öhling. Die Körper der Ermordeten werden verbrannt.

Der Ehefrau und den beiden Kindern von Robert Wagner schicken die Behörden das gleiche Schreiben wie den Angehörigen der anderen Opfer: Der Ermordete ist angeblich an einem „perforierten Magengeschwür“ und einer „Bauchfellentzündung“ gestorben. Den Leichnam hat man wegen Seuchengefahr einäschern müssen, erklärt die Heilanstalt in nüchternem Amtsdeutsch. 

Der für die Liste verantwortliche Bürgermeister Franz Labner (zweiter von rechts) bei der Übergabe einer Ehrenbürgerurkunde zusammen mit anderen Mitgliedern der NSDAP-Ortsgruppe. © Gemeindearchiv Frankenfels, Überbringung Ehrenbürgerurkunde
Zeitstrahl 1940 © wasbishergeschah.at