Straßenansicht in Wien mit einer kopfsteingepflasterten Straße, parkenden Autos am Straßenrand und einem Bus. Die Straße ist von mehrstöckigen Wohnhäusern gesäumt.  © Gustav Stehno, Wikimedia

„Und ab heute wohnst du in Wien.“

Chile­nische Flücht­linge in Öster­reich

Unzählige Menschen ertrinken auf der Flucht im Mittelmeer, denn die europäischen Regierungen verhindern, dass sie weniger gefährliche Wege nehmen. In den 1970er-Jahren war das zum Teil noch anders. Als die Familie von Eric Beiza Palestro aus Chile fliehen muss, gibt ihr Österreich bereits in Lateinamerika Asyl.

11. September 1973 in Chile: General Augusto Pinochet putscht sich an die Macht. Mit dem Militär auf seiner Seite drängt er den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende aus dem Amt. Pinochet regiert als brutaler Diktator: Politische Gegner lässt er verhaften. 

In den Lagern des Regimes werden sie gefoltert und ermordet. 

Pinochet herrscht in Chile als Diktator. © Wikimedia

Eric lebt damals in der Hauptstadt Santiago de Chile. Viele seiner Familienmitglieder sind Sozialisten. Sie haben Allende vor dem Putsch öffentlich unterstützt. Nun droht ihnen politische Verfolgung. Für einige Wochen müssen Eric und seine kleine Schwester versteckt leben, damit sie nicht entführt werden. 

Vor dem Putsch haben Erics Familienmitglieder Allende öffentlich unterstützt. Nach Pinochets Putsch müssen sie politische Verfolgung fürchten. © Wikimedia

Flucht in die Botschaft

Im November 1973 gelingt der Familie die Flucht über eine Mauer in die ecuadorianische Botschaft. Dort sind Eric, seine Eltern und seine kleine Schwester erstmal in Sicherheit. Viele Staaten gewähren den politisch verfolgten Menschen aus Chile damals Schutz. Sie können direkt in den Botschaften um Asyl ansuchen, sie müssen es nicht erst nach Europa schaffen. Erics Familie bekommt ein Angebot: Mit dem Flugzeug darf sie nach Österreich reisen und dort ein neues Leben beginnen.

Die österreichische Regierung kooperiert mit dem UNHCR, der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen. Jedes Jahr nimmt die Republik eine festgelegte Zahl an Personen auf, die außerhalb von Europa verfolgt werden. So kommen 2.000 chilenische Geflüchtete nach Österreich. Auch Verfolgte aus vielen anderen Ländern erhalten in den 1970er-Jahren Zuflucht in Österreich. Eric und seine Familie leben zunächst in Flüchtlingslagern. Dann aber können sie einen Bungalow in Simmering beziehen. In diesem Wiener Bezirk lebt Eric bis heute. 

© wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Homayoun Alizadeh, Österreichische Flüchtlingspolitik der 70er Jahre, in: Gernot Heiss, Oliver Rathkolb (Hg.), Asylland wider Willen. Flüchtlinge in Österreich im europäischen Kontext seit 1914, Wien 1995, 188–194.

Julia Schranz, „Macondo oder die Arche Noah.“ Erinnerungen an transkulturelles Zusammenleben in Simmering, in: Senol Grasl-Akkilic, Marcus Schober, Regina Wonisch (Hg.), Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte, Wien 2019, 188–214.

Patrick-Paul Volf, Der politische Flüchtling als Symbol der Zweiten Republik. Zur Asyl- und Flüchtlingspolitik seit 1945, in: Zeitgeschichte 11/12 (1995), 415–435.