Döllersheim, Frühling 1938: Die Obstbäume blühen, aber die Menschen im Ort werden das Obst nicht mehr ernten können. Das sagt der Lehrer in der Schule – und macht der elfjährigen Maria Geisberger damit große Angst. Zuerst sind es Gerüchte, aber bald ist es sicher: Maria und ihre Familie müssen ihr Haus verlassen. So wie auch alle anderen Menschen in 42 Dörfern. Denn die Wehrmacht will hier den Krieg üben.
Die Menschen können das kaum fassen, denn der Nationalsozialismus hat in der Region schon in den frühen 1930ern viele Anhänger:innen. Nach dem „Anschluss“ hält die Gemeinde Döllersheim einen „Hitler-Festzug“, pflanzt eine „Hitler-Eiche“ und erklärt das Grab von Hitlers Großmutter zum „Ehrengrab“. Über das Fest berichtet sogar die Wochenschau. Als die Pläne für die Umsiedlung bekannt werden, ist das ein steiler Absturz für Döllersheim. Haben die Menschen das verdient? Schließlich haben sie sich für den Hitler-Gedenkort begeistert. Die Umsiedlung macht sie nun trotzdem zu Opfern von diktatorischer Gewalt.
Die „Deutsche Ansiedlungsgemeinschaft“ sorgt vor allem für Absiedelungen. Nach und nach werden die Dörfer geleert, bis niemand mehr da ist. In Marias Schulklasse gehen jede Woche weniger Kinder. Die Abschiede sind tränenreich. Maria hört nun täglich Schüsse, denn die Wehrmacht beginnt sofort, den Übungsplatz zu nützen.
Wer kein passendes Zuhause findet, wird gezwungen, in einen der Nachbarorte umzusiedeln. Am Anfang finden aber noch viele in der Nähe einen Ersatz für ihren Hof. In einigen Fällen handelt es sich um die Höfe von Juden und Jüdinnen, die vertrieben wurden. Das Regime verspricht den Menschen aus Döllersheim eine großzügige Ablöse. Viele sehen jedoch nie etwas von der erhofften Bezahlung.
Im Jahr 1939 ist es auch für Maria und ihre Familie so weit. Die „Deutsche Ansiedlungsgemeinschaft“ befiehlt: Sie müssen weg. Ihr Vater sucht lange nach einem geeigneten Heim und fährt dafür weit herum. Schließlich kauft die Familie aber einen heruntergekommenen Bauernhof, der nur 13 Kilometer von Döllersheim entfernt liegt. Ganz in der Nähe also und doch fremd. Den Jungen fällt es leichter, sich einzugewöhnen. Die Eltern trauern ihrem Hof in Döllersheim lange nach.
Als der Zweite Weltkrieg 1945 vorbei ist, hoffen die Menschen, dass sie wieder in ihre ehemaligen Dörfer dürfen. Doch nun verwendet die sowjetische Besatzungsmacht den Übungsplatz. 1955 übernimmt ihn dann das österreichische Bundesheer. Auf dem Gelände liegt massenhaft gefährliche Munition und die Häuser sind komplett zerstört. Dass die Menschen hierher zurückkehren, ist der Republik zu kompliziert und zu teuer. Auch für die Familie von Maria Geisberger platzt der Traum von der Rückkehr in ihr altes Haus endgültig.