Zwei Männer mit Schnauzer und eine Frau lassen sich Notgeld-Scheine bei der Raiffeisenkasse Wörgl von einem Mann mit Halbglatze und runden Brillengläsern auszahlen.  © Unterguggenberger Institut

„Lin­dert die Not, gibt Ar­beit und Brot“:

Als Wörgl sein ei­ge­nes Geld er­fin­det

Ein Tiroler Bürgermeister führt in der Weltwirtschaftskrise eine Währung ein, die nur im Ort gültig ist. So kurbelt er die Wirtschaft der Kleinstadt an, bis ein Gericht im Herbst 1933 das Experiment beendet.

Vor 90 Jahren wird Wörgl von der Weltwirtschaftskrise überrollt. Die Brauerei entlässt Beschäftigte, in der Zellulosefabrik bewachen nur mehr ein Dutzend Arbeiter die Maschinen und das Zementwerk hat längst den Betrieb aufgegeben. Die Gemeindekasse ist leer, Bauprojekte sind eingestellt. Jemand hat auf eine Hauswand gekritzelt: „Doch das größte aller Laster, Wörgl, ist dein Straßenpflaster!“

Ansicht von Wörgl, um 1932. © Unterguggenberger Institut

Bürgermeister Michael Unterguggenberger will dem Verfall seiner Stadt nicht länger zusehen. Er hat eine Idee: Die wirtschaftliche Not kann er nur überwinden, wenn er neues Geld erfindet. Wie das funktioniert?

„Wir haben dem Geld Beine gemacht.“

Zunächst überzeugt der Bürgermeister den katholischen Dorfpfarrer, den Heimwehrführer und den Bäckermeister. Im Juli 1932 stimmt der Gemeinderat seinem Vorschlag zu. Das Experiment kann beginnen.

Der 5-Schilling-Geldschein des Wörgler „Notgeldes“. © Wikimedia

Die Dorfbewohner und Geschäftsleute erhalten sogenannte „Arbeitswertscheine“. Damit können sie wie mit echtem Geld einkaufen, ins Wirtshaus oder zum Friseur gehen. Die Scheine verlieren aber bereits nach einem Monat an Wert. Niemand will einen Verlust erleiden, deshalb bringen die Menschen das „Schwundgeld“ rasch in Umlauf. So kurbeln sie die Wirtschaft im Dorf an. 

Arbeiter in Wörgl erhalten ihren Lohn in Schwundgeld. © Unterguggenberger Institut

Das „Wunder von Wörgl“

Der Erfolg ist größer als erwartet. Das Geschäftsleben blüht auf, eine Notstandsküche wird eingerichtet, eine neue Brücke, Häuser und sogar eine Skisprungschanze werden gebaut. 


Die Arbeitslosigkeit geht stark zurück, während sie zur selben Zeit in Österreich stark ansteigt.

Inmitten der Wirtschaftskrise werden in Wörgl wieder Häuser gebaut. © Unterguggenberger Institut
Auch eine Brücke wird errichtet. © Unterguggenberger Institut

Ungläubige aus aller Welt kommen nach Tirol, um das „Währungswunder von Wörgl“ mit eigenen Augen zu sehen. Die Nachricht gelangt bis nach Amerika, wo zahlreiche Städte nun ebenfalls die Druckmaschine anwerfen. Aber die österreichische Nationalbank will ihr Geldmonopol wiederherstellen. Ein Gerichtsurteil beendet das Experiment, sodass die Wirtschaft in Wörgl bald wieder stagniert.

Zeitstrahl 1932 © wasbishergeschah.at