Zwei junge Soldaten in Uniform, mit Helm und Maschinengewehr in einem Schützengraben.  © Wikimedia

„Aktiv-Sein hatte be­deu­tet: 

Deser­tieren“

Im Krieg für ein verbrecherisches Regime ist es oft das einzig richtige: desertieren, sobald es geht. Die Nazis verfolgen die Deserteure und lassen 15.000 Männer hinrichten. Wer entkommt, wird nach dem Krieg als Verräter beschimpft. 

Eine Nacht im Oktober 1944 in der Nähe von Aachen: Richard Wadani wirft seine Waffen weg und kriecht am Bauch über die Frontlinie. Er hat ein weißes Tuch dabei, um den Alliierten zu signalisieren, dass er nicht schießen wird. Endlich gelingt ihm, was seit Kriegsbeginn sein Plan war. Er desertiert.

1939 ist Richard Wadani mit nur 17 Jahren in die Wehrmacht eingezogen worden. Er kommt aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Für die Nationalsozialisten will er nicht kämpfen. Da bleibt nur die Frage: „Entweder mit denen zugrunde gehen oder so wie man erzogen wurde, aktiv sein.“ Aktiv-Sein bedeutet für ihn: Desertieren, sobald sich eine Gelegenheit bietet.

Zum Abschied gibt ihm seine Mutter ein weißes Tuch und sagt: „Wenn es soweit ist, dann hast du ein weißes Tuch.“ 1942 versucht er zum ersten Mal aus der Wehrmacht zu entkommen, scheitert dabei aber. Zwei Jahre später wagt er es noch einmal.

Warnung an Soldaten vor Fahnenflucht im Februar 1945. © Wikimedia

Für ihren Mut verachtet

Der junge Soldat geht ein großes Risiko ein. NS-Militärgerichte sind erbarmungslos. Wadani hat Glück. Er schafft es unbemerkt durch den Wald und trifft auf amerikanische Soldaten. Er meldet sich freiwillig, um mit den Alliierten gegen Nazi-Deutschland zu kämpfen. Nach dem Ende des Krieges kehrt er nach Wien zurück. Hier wird er nicht als Befreier begrüßt, sondern als „Feigling“ und „Schweinehund“ beschimpft.

„Wir waren die Bösen und die Guten, das waren die Soldaten der Hitler-Wehrmacht.“

In der Nachkriegszeit werden gefallene Wehrmachtssoldaten als Helden verehrt. Deserteure gelten als „Vaterlandsverräter“. Erst seit 2014 erinnert ein Denkmal am Wiener Ballhausplatz an die Männer, die sich dagegen entschieden haben, dem NS-Regime noch länger zu dienen. Wadani hält bei der Eröffnung des Denkmals eine Rede. Jahrzehntelang hat er sich dafür eingesetzt, dass die Deserteure der Wehrmacht als Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz anerkannt werden. 

Ein Mann mit weißen Haaren, Sonnenbrille und mit beiger Jacke steht vor einem Pult und spricht in ein Mikrofon. Hinter ihm eine graue Wand, daneben ein Baum.  © Christian Michelides
Ein mehrere Meter großes, dreistufiges X aus Beton liegt auf einer großen Steinplatte vor einem Zaun. Dahinter befindet sich ein Park mit Bäumen und Gehweg. © Wikimedia
Zeitstrahl 1944 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Walter Manoschek (Hg.), Opfer der NS-Militärjustiz. Urteilspraxis – Strafvollzug – Entschädigungspolitik in Österreich, Wien 2003. 

Thomas Geldmacher, Magnus Koch, Hannes Metzler, Peter Pirker, Lisa Rettl (Hg.), „Da machen wir nicht mehr mit…“. Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Wien 2010.