Junge Leute sitzen auf der Wiese und spielen Gitarre, während andere zuhören.  © Heinz Fiedler, Wien Museum; Besetzung der Arena.

„Freiheit

für den Burggarten!“

1979 ist es in Wien verboten, öffentliche Rasenflächen zu betreten. Jugendliche besetzen damals den Burggarten und erkämpfen so das Recht, in Wiener Parks auf der Wiese zu sitzen und die Sonne zu genießen. 

1979, Wien: Endlich Sommer! Im Burggarten sitzen Jugendliche im Gras. Sie reden miteinander, machen Musik oder rauchen einen Joint. Ein Bub spielt Gitarre, ein paar Freund:innen tanzen um ihn herum. Nach Schulschluss lassen sich immer mehr Jugendliche im Gras nieder. Aber ein Gesetz aus dem Jahr 1951 verbietet das Betreten der Wiese. Hunderte Polizisten rücken an. Mit Schlagstöcken vertreiben sie die Jugendlichen aus dem Park. 

Immer wieder protestieren Schüler:innen, Lehrlinge und Studierende. Sie wollen mehr Platz in der Stadt. Außer einem Jugendzentrum, das sie selbstständig gestalten dürfen, fordern sie „Rasenfreiheit“ – die Erlaubnis, in Wiener Parks auf der Wiese zu sitzen, ohne von der Polizei vertrieben zu werden. Um das zu erreichen, besetzen sie mehrmals den Burggarten. Das Sitzen in der Wiese wird zu einem Symbol der Freiheit.

Das gemeinsame Sitzen im Park wird zur Protestform. © Heinz Fiedler, Wien Museum; Besetzung der Arena.

„Entenmord und Sexorgien“ im Burggarten

Konservative Zeitungen machen die „Burggarten-Bewegung“ zum Skandal: Regelmäßig schreiben sie über verrückte „Sonnen-Anbeter“ in bunter Kleidung, die die Polizei mit Müll bewerfen, öffentlich Sex haben und sich mit Drogen zudröhnen – und das auch noch mitten unter der Woche, während „brave Bürger“ arbeiten! In der „City“ wirft ein Leserbrief den Besetzer:innen vor, sie würden im Burggarten Enten ermorden. In der Tageszeitung Kurier dürfen sich „besorgte“ Passant:innen äußern: „Wegspritzen sollten sie’s“, lautet deren Lösungs-Vorschlag, und: „Beim Hitler hätt’s des net gebn“.

Die Polizei soll die Jugendlichen vertreiben. Mit einer großen Menge Wasser tränkt sie die Wiese im Burggarten, damit dort niemand mehr bequem sitzen kann, ohne nass zu werden. Als das nicht funktioniert, setzen die Polizisten direkte Gewalt gegen die Jugendlichen ein: 

Regelmäßig werden Besetzer:innen von der Polizei verprügelt und festgenommen. 

Die Proteste nehmen aber kein Ende und die Stadt-Regierung gibt nach: Ab 1980 ist es in einigen Wiener Parks erlaubt, auf der Wiese zu sitzen. Im Grünen liegen darf man seither zum Beispiel im Prater, dem Votivpark und im Schweizergarten. Das sind aber Ausnahmen. Im Burggarten bleibt das Verbot weiterhin aufrecht. Erst seit 2007 darf man auch dort auf der Wiese sitzen. 

Zeitstrahl 1979 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Alice Pechriggl, Das Versprechen der Freiheit. Cannabiskonsum zwischen Hippie-High und Medikalisierung, in: Theresa Adamski et al. (Hg.), Geschlechtergeschichten vom Genuss. Zum 60. Geburtstag von Gabriella Hauch, Wien 2019, 309–323. 

Andreas Suttner, „Beton brennt“. Hausbesetzer und Selbstverwaltung im Berlin, Wien und Zürich der 80er, Berlin 2001.