Der Druck zeigt Männer mit Kopfbedeckungen und Bärten bei der Salpetergewinnung. Rechts befindet sich ein Gebäude, in dem ein Mann mit einer Art Paddel oder Schaufel in einer Flüssigkeit rührt. Im Vordergrund stehen runde Holzgefäße verschiedener Größe, die teilweise mit Material gefüllt sind. Vorne links hackt ein Mann mit einer Axt Holz. © Wikimedia, Salpetergewinnung, 1580.

Die „Salpeterer“ –

deportiert unter den Habsburgern

Im 18. Jahrhundert fordern Bauern im Schwarzwald ihre Rechte ein. Doch die Habsburger schieben die Aufständischen einfach ab – in ein Gebiet im heutigen Rumänien. Nur wenige schaffen es zurückzukehren.

Sommer 1757 im Schwarzwald: Martin Arzner steht am Pranger. Er ist ein gebrechlicher, alter Mann. Sein Verbrechen: Er ist ein „Salpeterer“, der aus der Verbannung ins Banat zurück in seine Heimat geflohen ist. Das Banat liegt heute in Rumänien und ist mehr als 1000 Kilometer vom Schwarzwald entfernt. Die Behörden kennen keine Gnade: Martin Arzner wird wieder abgeschoben und stirbt bald, weit weg von seiner Heimat.

Bauern mit politischen Rechten

In der Grafschaft Hauenstein im Schwarzwald haben die Bauern mehr politische Rechte als im Großteil der Habsburgermonarchie. Seit dem Mittelalter dürfen sie mitbestimmen, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. Einmal im Jahr wählen die Männer in der Grafschaft politische Sprecher, die sie vor den Obrigkeiten vertreten. Die Bauern werden später „Salpeterer“ genannt, weil einige in der Gewinnung von Salpeter arbeiten – einer Substanz, die für die Herstellung von Schießpulver wichtig ist.

Die Salpeterer leben in der Grafschaft Hauenstein im Schwarzwald, an der Grenze zur Schweiz und nicht weit von Frankreich. Einmal jährlich wählen sie „Einungsmeister“ als politische Vertreter. © Getarchive, Einungsmeister in Hauensteiner Tracht, 1843.

Doch die selbstbewussten Bauern haben einen starken Gegner: Die Mönche des Klosters St. Blasien verwalten einen riesigen Grundbesitz und haben in der Region das Sagen. Für „freie Bauern“ haben die Mönche nichts übrig. Stattdessen wollen sie Leibeigene ohne Rechte, die das Land für sie bewirtschaften müssen. So stellen sie sich gegen die weitgehende Selbstverwaltung der Salpeterer – und verlangen von ihnen immer höhere Abgaben. Doch viele der Bauern lassen sich das nicht gefallen. Sie weigern sich, die Mönche als Herren zu akzeptieren. Über viele Jahrhunderte organisieren sie immer wieder Aufstände und Proteste – manchmal gewalttätig, manchmal friedlich. 

Abschiebung aufständischer Bauern

1726 reist „Salpeterer-Hans“, ein Anführer der aufständischen Bauern, zum Habsburgerhof nach Wien. Er will, dass Kaiser Karl VI. die Rechte der Bauern im Schwarzwald sicherstellt, hat aber keinen Erfolg. Ohne kaiserliche Unterstützung sind die Salpeterer auf sich gestellt: Wieder einmal machen sie Aufstand gegen das Kloster St. Blasius. 

Doch auch das Kloster schickt einen Vertreter zum Kaiser nach Wien: Den Mönch Marquard Herrgott. Der ist ein besonders scharfer Gegner der Salpeterer. Wahrscheinlich ist er es, der Karl VI. dazu drängt, die aufständischen Bauern zu deportieren: Die „Ruhestörer“ sollen gewaltsam aus ihrer Heimat entfernt werden. Noch betrifft diese Strafe nur wenige Personen, drei Anführer müssen an weit entfernten Orten Strafarbeit leisten: in „ungarischen Bergstädten“ und in Belgrad.   

Ein paar Jahre später ist Maria Theresia Kaiserin. Wieder versucht die Bevölkerung im Schwarzwald, ihre Selbstbestimmung zu sichern. 1754 unterzeichnen 63 Personen friedlich ein Bittschreiben. Die Strafe ist trotzdem hart: Mehr als 100 Personen – Bittsteller und ihre Familien – werden im Oktober 1755 in das Banat im heutigen Rumänien abgeschoben. Männer, Frauen und Kinder werden gezwungen, mehr als 1000 Kilometer von ihrer Heimat wegzuziehen. 

Im Banat angekommen, wehren sich die Salpeterer: Sie wollen nicht in die zugewiesenen Häuser einziehen. Sie helfen nicht bei der Ernte mit. Sie schreiben Briefe an Verwandte, die in der Heimat gebliebenen sind und beklagen ihre Lage – das ist verboten.

Unter Maria Theresia werden über 100 „Salpeterer“ in ein Gebiet im heutigen Rumänien abgeschoben. © Wikimedia, Maria Theresia, 1759.

Manche versuchen zurückzukehren: Mehr Glück als Martin Arzner hat Jakob Fridolin Albiez, der Sohn vom „Salpeterer-Hans“: Auch er wird 1762 nach seiner Flucht von den habsburgischen Behörden aufgegriffen und soll wieder abgeschoben werden. Schließlich schafft er es aber, seine letzten Lebensjahre in seiner Heimat im Schwarzwald zu verbringen.

In den 1970er-Jahren werden die Salpeterer gewürdigt: 1974 eröffnet der Bundespräsident der BRD in Rastatt eine Erinnerungsstätte an demokratische Bewegungen. Auch die Salpeterer zählt er in seiner Rede zu den deutschen Freiheitsbewegungen.

 

Anton Tantner

Zeitstrahl 1775 © wasbishergeschah.at