Mai 2013 in der Gemeinde Rio Verde: Die Schule São José do Pontal liegt inmitten von Soja- und Maisfeldern. Überall am Schulgelände spielen und lachen Kinder. Es ist gerade Pause. Ein paar von ihnen laufen einem tief vorbeifliegenden Flugzeug nach und winken. Was sie nicht wissen: Dieses Flugzeug versprüht gerade das Pestizid „Engeo Pleno“. Es geht auf die Felder nieder, die an die Schule angrenzen. Es erfasst auch das gesamte Schulgelände – vermutlich nicht mit Absicht, aber was nützt das.
Die Spritzmittelwolke vergiftet 92 Schulkinder, Lehrer:innen und Angestellte. Viele bekommen keine Luft, übergeben sich. Einige sind so stark vergiftet, dass sie ins Krankenhaus müssen.
Im Anbau verwenden die Großgrundbetriebe genmanipulierte Sorten, die mehr Ertrag bringen. Die sind gegen bestimmte Spritzmittel resistent. Um ihre Sojapflanzen müssen sich die Farmer also keine Sorgen machen, wenn sie Pestizide in rauen Mengen einsetzen, um damit Unkraut und Insekten zu bekämpfen. Ihren Pflanzen macht das nichts, für Menschen hingegen sind sie wahrscheinlich krebserregend.
Untersuchungen zeigen Spuren von Pestiziden in den produzierten Lebensmitteln, im Grundwasser und in den Pflanzen in der Nähe der Felder. Die lokale Bevölkerung ist den giftigen Pestiziden also gleich mehrfach ausgeliefert.
Die Lehrerin Erly Maria da Silva ist eine der 92 Personen, die am Gelände der Schule durch das Pestizid vergiftet wurden. In einem Interview mit der NGO „Public Eye“ berichtet sie, dass der Bürgermeister von Rio Verde sie bereits am nächsten Tag angerufen hat. Er verlangt, dass sie nicht zu den Medien spricht. Er ist selbst einer der größten landwirtschaftlichen Unternehmer in Rio Verde.
Trotzdem kämpfen immer mehr Menschen in Brasilien gegen die Verwendung von Spritzmitteln. Sie haben erste Erfolge erzielt: Flugzeuge müssen nun einen Abstand von 500 Metern zu den Siedlungen halten. Sie versprühen allerdings weiterhin Tonnen an Gift.