Kleine Schiffe direkt neben einem größeren Schiff. Auf allen Schiffen sind viele Menschen zu sehen. Die Personen auf den kleinenen Schiffen sind den Personen auf dem großen Schiff zugewandt. In der Mitte des Getümmels eine große Rauchwolke. © Wikimedia, Royal Museums Greenwich, CC BY-SA 4.0, Greek Pirates, Alexandre Gabriel Decamps, 1838

„Die Taue, die Take­lage

und sogar die Masten“ gestohlen

In der griechischen Region Mani leben die Menschen jahrhundertelang von der Piraterie. Dass die Piraten auch als Söldner arbeiten, sichert ihr Geschäft.

Im Jahr 1786 an der kargen Küste der Halbinsel Mani: Der Reisende Pouqueville ist mit dem Schiff „Le Sacré-Cœur de Jésus“ nahe des Hafens Boulari gestrandet. Fassungslos beobachtet er die Einheimischen. Vor seinen Augen löst sich das Schiff in kurzer Zeit in Luft auf: Es wird „in Stücke geschnitten und dann auf die Rücken der Frauen gepackt, die alles nach Hause in ihre Vorratstruhen schleppten“. Mehr Pech hätte die französische Mannschaft kaum haben können. 

Sie sind an die Küste der Mani gespült worden, der Heimat gefürchteter Piraten.

Piraterie ist für die Bewohner:innen der Mani ganz normal. An kaum einem Ort wird sie so offen betrieben wie hier. Für Schiffe, die zu nahe an die Küste geraten, stellen die Maniot:innen eigens eine Kaperflotte. Ihre langen kanuähnlichen Ruderkampfboote heißen „trattas“. Sie warten den ganzen Tag in einer Bucht auf potentielle Opfer. Mit den flinken Schiffen kreisen sie ihr Ziel ein. Oft kapern sie das gesamte Schiff oder erpressen zumindest Passiergeld.  

Warum gibt es auf der Mani Piraten?

Ein Grund ist die Gelegenheit: Eine wichtige Schiffsroute mit wertvollen Gütern führt an dem unwirtlichen Küstenstreifen vorbei. Damals sind Handelsleute überall der Gefahr des Raubs ausgesetzt. Dazu kommt, dass der Boden der Mani wenig fruchtbar ist. Nur ein geringer Teil der Bevölkerung kann also von der Landwirtschaft leben, zudem ist die Region überbevölkert.

Dass der Landstrich schwer zugänglich ist, macht es fast unmöglich die Mani von außerhalb zu regieren. Hier gelten nur die Regeln der lokalen Gesellschaft, für die bewaffnete Gewalt zum Leben dazugehört. Clans bekämpfen einander oft jahrelang in brutalen Fehden – der sogenannten „Blutrache“. 

Auch Schiffbrüchige werden von den Piraten der Mani ausgeraubt. © Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 7838, CC BY-SA 4.0, Küste bei Capri, Unbekannter Künstler, um 1850,

Die Piraten der Mani gelten als besonders grausam: „Nach dem Plündern versenken sie das Schiff und die gesamte Mannschaft.“ Das stimmt nur teilweise, denn sie wollen vor allem von der Piraterie leben. Ihr schlechter Ruf ist den Piraten der Mani aber bei ihrer Arbeit hilfreich. Und die ist jedenfalls nicht menschenfreundlich: Sie töten ihre Gefangenen zwar nicht, aber verkaufen sie an Sklavenhändler.

Ägäis voller Piratennester

Die Manioten rauben nicht nur an der eigenen Küste. Sie sind in weiten Teilen des östlichen Mittelmeers aktiv. Seit dem späten Mittelalter hat sich die Piraterie in der Ägäis verbreitet. Inseln wie Mykonos haben den Ruf von Piratennestern. Überall kann ein Schiff auf Seeräuber stoßen. Machthaber aus anderen Regionen bezahlen die Piraten der Mani immer wieder, damit sie in ihrem Auftrag rauben.

So überfallen 1678 französische und maniotische Bewaffnete die Insel Naxos. Sie plündern die Häuser und verschleppen viele Menschen. Frankreich betreibt solche Überfälle in seinem Machtkampf gegen das Osmanische Reich. Erfolgreich, denn einige Zeit später gibt das Osmanische Reich alle Vorposten in der Ägäis auf. Auch weil die Piraten der Mani solche Aufträge von Herrschern annehmen, wird ihr Lebenswandel lange toleriert. 

Die Mani ist eine Halbinsel an der Südspitze der griechischen Peloponnes. © Wikimedia, Morea olim Peloponnesus, Randolph Bernard, um 1690

Während des griechischen Unabhängigkeitskrieges verliert das Osmanische Reich bis 1827 seine gesamte Ägäisflotte. Die Piraterie in den griechischen Gewässern steigert sich nochmals. In der Region treiben 1000 Piratenschiffe ihr Unwesen. Erst internationale Patrouillen entlang der Schiffshandelsrouten dämmen das Plündern ein. Und so nimmt die maniotische Piraterie im Lauf des 19. Jahrhunderts allmählich ein Ende.

Zeitstrahl 1786 © wasbishergeschah.at