Im Jahr 1786 an der kargen Küste der Halbinsel Mani: Der Reisende Pouqueville ist mit dem Schiff „Le Sacré-Cœur de Jésus“ nahe des Hafens Boulari gestrandet. Fassungslos beobachtet er die Einheimischen. Vor seinen Augen löst sich das Schiff in kurzer Zeit in Luft auf: Es wird „in Stücke geschnitten und dann auf die Rücken der Frauen gepackt, die alles nach Hause in ihre Vorratstruhen schleppten“. Mehr Pech hätte die französische Mannschaft kaum haben können.
Piraterie ist für die Bewohner:innen der Mani ganz normal. An kaum einem Ort wird sie so offen betrieben wie hier. Für Schiffe, die zu nahe an die Küste geraten, stellen die Maniot:innen eigens eine Kaperflotte. Ihre langen kanuähnlichen Ruderkampfboote heißen „trattas“. Sie warten den ganzen Tag in einer Bucht auf potentielle Opfer. Mit den flinken Schiffen kreisen sie ihr Ziel ein. Oft kapern sie das gesamte Schiff oder erpressen zumindest Passiergeld.
Ein Grund ist die Gelegenheit: Eine wichtige Schiffsroute mit wertvollen Gütern führt an dem unwirtlichen Küstenstreifen vorbei. Damals sind Handelsleute überall der Gefahr des Raubs ausgesetzt. Dazu kommt, dass der Boden der Mani wenig fruchtbar ist. Nur ein geringer Teil der Bevölkerung kann also von der Landwirtschaft leben, zudem ist die Region überbevölkert.
Dass der Landstrich schwer zugänglich ist, macht es fast unmöglich die Mani von außerhalb zu regieren. Hier gelten nur die Regeln der lokalen Gesellschaft, für die bewaffnete Gewalt zum Leben dazugehört. Clans bekämpfen einander oft jahrelang in brutalen Fehden – der sogenannten „Blutrache“.