Eine Mutter mit dunklen Haaren und angespanntem Gesichtsausdruck hält ein Baby im Arm. Das Baby schreit und strampelt. Links neben der Frau ist der Kopf eines Mädchens mit weißer Schleife im Haar zu sehen.  © Wikimedia, Mutter mit Baby, 1935.

Muttertag

ohne Frauenrechte

Als Frau daheimbleiben und sich um Haus, Mann und Kinder kümmern – dafür werben „Tradwifes“ und „Stay-at-home-girlfriends“ auf Social Media. Vor 90 Jahren waren es faschistische Diktaturen, die Frauen in die Rolle der „selbstlosen Mutter“ drängen.

Österreich, 1935: Die Kursleiterin einer „Mutterschulung“ soll junge Frauen dazu erziehen, dass sie mehr Kinder bekommen. Doch an der Lebensrealität vieler Teilnehmerinnen geht das vorbei: In Zeiten von Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit können sie es sich nicht leisten, auch noch viele Kinder zu versorgen. Zwei junge Arbeiterinnen protestieren gegen die sinnlose Belehrung: Sie fordern die Kursleiterin auf, ihnen besser beizubringen, wie man KEINE Kinder bekommt.

Zwei junge Arbeiterinnen wollen in der „Mutterschulung“ lieber lernen, wie man das Kinderkriegen in Zeiten sozialer Not vermeidet. © Wien Museum, Karl Wiener, Schwestern, um 1930.

Diktatur der katholischen Männer

1933–1938 herrscht in Österreich die austrofaschistische Diktatur. Ihr politisches Programm: Katholizismus und Männlichkeit.Von Frauen erwartet das Regime, dass sie sich für ihre Kinder aufopfern – so wie sich Jesus einst für die Christen geopfert habe. Frauen sollen daheimbleiben, die Kinder großziehen und den Haushalt schmeißen.
Über ihr „gottgewolltes Mutteropfer“ sollen sich die Frauen auch noch freuen.

Soziale Rechte bekommen sie dafür nicht. Im Gegenteil: Das Regime verdrängt verheiratete Frauen aus der Politik und beschließt die „Doppelverdienerordnung“. Ehefrauen dürfen nun nicht mehr im Bundesdienst arbeiten. Die Begründung: Verheiratete Frauen haben ohnehin einen Mann, der Geld nach Hause bringt.

Symbol des austrofaschistischen Regimes (1933–1938) ist das Kruckenkreuz. © Wikimedia, Propagandaveranstaltung im Austrofaschismus, 1936.

Propaganda zum Muttertag

Das Regime macht den Muttertag zur riesigen Propagandaveranstaltung für „selbstlose Mutterschaft“. Mütter von mindestens drei Kindern bekommen eine Auszeichnung. Aber nur, wenn sie Mitglied der „Vaterländischen Front“ sind und keine Sozialhilfe erhalten. Mütter aus der Arbeiterschaft bekommen eine Gratismahlzeit und müssen für fröhliche Zeitungsfotos herhalten – als Beweis für die „Überwindung von Klassengrenzen“ durch Mutterschaft. Tatsächlich hat die Diktatur aber viel mehr Interesse am Nachwuchs wohlhabender Familien.

Zum Muttertag 1935 empört sich die „Reichspost“ darüber, dass in Österreich die Zahl der Geburten zurückgeht. Die Zeitung meint: Daran ist der „Egoismus“ moderner Frauen schuld. Denn die verweigern sich ihrem „wahren Lebenszweck“: dem Kinderkriegen.

Das austrofaschistische Regime weigert sich einzusehen, dass Frauen in einer Situation von sozialer Not gute Gründe haben, keine Kinder zu bekommen. Stattdessen üben spezielle „Mutterschulungen“ Druck auf Frauen aus, mehr Kinder in die Welt zu setzen – oder besser: Söhne in den katholischen Männerstaat. An den prekären Lebensbedingungen vieler Frauen ändern solche „Mutterschulungen“ nichts.
An den schwierigen Lebensbedingungen vieler Frauen ändert der austrofaschistische Mutterkult nichts. © Wikimedia, Frau Atkins mit Baby, USA, 1936.


Anna Stärk

Zeitstrahl 1936 © wasbishergeschah.at