: Bild aus dem Film „Der blaue Engel“ aus dem Jahr 1930: Die Schauspielerin Marlene Dietrich posiert in der Rolle der Sängerin Lola Lola auf einem Fass. Sie trägt einen Hut, knappe Kleidung, einen Spitzenunterrock, Strumpfhalter und Stöckelschuhe. Im Hintergrund befindet sich ein Varieté-Theater mit weiteren Darstellerinnen.  © Wikimedia

Pro­test gegen das Kino: 

Medien­konsum in der Zwischen­kriegs­zeit

Ist TikTok-Konsum schädlich? Vor hundert Jahren ist es das Kino, das als große Gefahr für die Gesellschaft gilt. Es soll Jugendliche zu Kriminellen machen und eine Gefahr für die Sittlichkeit sein.

Wien am 20. März 1920: In einem Kinosaal an der Landstraßer Hauptstraße wird es dunkel. Erste Bilder flackern über die Leinwand, die Kinokapelle beginnt zu spielen. Plötzlich dringen laute Rufe in den Saal: Zweihundert Demonstranten haben sich vor dem Gebäude versammelt und fallen ins Kino-Foyer ein. Sie fordern: Die Filmvorführung soll sofort gestoppt und die Filmplakate abgerissen werden, weil der Film „unsittliche“ Szenen enthält. Sonst werden sie Gewalt anwenden.

Das Kino ist nach dem Ersten Weltkrieg eine beliebte Freizeitbeschäftigung vieler Arbeiter:innen. In den 1920ern gibt es in Wien hunderte Kinos. Tausende strömen jede Woche dorthin. In Österreich liegt die Wirtschaft am Boden und der Schrecken des Krieges ist noch nicht vergessen. Da bietet das Kino eine willkommene Möglichkeit, dem Alltag für kurze Zeit zu entkommen.

Verbotene Sehnsüchte

Dass das Kino so beliebt ist, gefällt nicht allen: Linke und Rechte empören sich laut über den „Kinoskandal“. Als große Gefahr für die Sittlichkeit gilt, dass der Kinoraum dunkel sein muss und die Sitze noch enger beieinander stehen als im Theater. Auch nackte Körper und erotische Szenen gibt es auf der Kinoleinwand zu sehen. Noch schlimmer: Vielleicht gefällt es den Leuten auch noch!

Kino-Gegner:innen äußern sich immer wieder besorgt darüber, dass bereits Schüler:innen Filmvorführungen besuchen, in denen Gewalt und Erotik zu sehen sind. Sie glauben, dass das Kino einen schlechten Einfluss auf das Verhalten von Jugendlichen hat. © wikimedia

Kino als Anleitung für Verbrechen

Viele Kritiker:innen sehen im Kinopublikum nur eine ungebildete Masse. Die macht angeblich alles nach, was sich auf der Leinwand abspielt. Als besonders gefährdet gelten Jugendliche. Sie sollen nicht zwischen Ausgedachtem und Wirklichkeit unterscheiden können. Das Kino gilt sogar als „Schule des Verbrechens“.Jugendliche lernen demnach durch Filme alles übers Stehlen, Rauben und Vergewaltigen. Straffällig gewordene Jugendliche machen vor Gericht sogar das Kino für ihre Taten verantwortlich – und kommen damit durch. 
Immer wieder gibt es Proteste gegen Filmvorführungen. Viele fordern eine stärkere Zensur.

Trotz der Proteste kann sich das bewegte Bild durchsetzen. Noch heute diskutieren wir über seine Reize und Gefahren oder debattieren, ob es Jugendliche zu stark beeinflusst. Dabei geht es aber inzwischen nicht mehr um Kinofilme – sondern oft um Videos auf TikTok. 

Wenn heute über die Gefahren des Bewegtbildes diskutiert wird, geht es nicht mehr ums Kino, sondern häufig um die Video-App TikTok. © Wikimedia, CC-BY-SA-2.0.
Zeitstrahl 1920 © wasbishergeschah.at