Wie Trump und Bolsonaro lässt Lueger Merchandise von sich herstellen: Sein Name und Gesicht werden auf Pfeifen, Münzen und Gläser geprägt. Es gibt den „Lueger-Hut“ und „Lueger-Brot“. Die städtebaulichen Großprojekte der Zeit verknüpft er mit seiner Person: Die neu geschaffene Wiener Straßenbahn wird „Dr. Luegers ‚neue Elektrische‘“ genannt. Dabei ist auch egal, ob die Projekte tatsächlich auf seine Regierung zurückgehen. Über dem Haupttor des 1874 errichteten Wiener Zentralfriedhofs steht bis heute: „Erbaut unter dem Bürgermeister Doktor Karl Lueger; im Jahre 1905.“ Das Branding ist erfolgreich. Wiens Aufstieg zur modernen Großstadt wird bis heute mit dem Namen Lueger verbunden.
Hass auf Juden ist in Wien ohnehin weit verbreitet. Karl Lueger kann als erster diesen Hass in großen politischen Erfolg ummünzen. Er mobilisiert seine Wähler, indem er all ihre Frustration und Wut auf Jüdinnen und Juden als gemeinsamen Feind lenkt. Er macht sich zur zentralen Figur eines antisemitischen Glaubensbekenntnisses: „Vater Lueger, der Du wohnst in Wien, gelobt sei Dein Name, beschütz unser christliches Volk, […], erlöse uns von dem Juden-Übel. Amen.“
In seinen Reden droht Lueger Juden und Jüdinnen Gewalt an: „Wir in Wien sind Antisemiten, aber zu Mord und Totschlag sind wir gewiss nicht geschaffen. Wenn aber die Juden unser Vaterland bedrohen sollten, dann werden auch wir keine Gnade kennen.“ Ermordet wird Wiens jüdische Bevölkerung zwar unter Lueger (noch) nicht. Er macht ihr aber das Leben möglichst schwer. Öffentliche Aufträge werden nicht mehr an jüdische Firmen vergeben. Jüdische Beamte werden nicht befördert und selten eingestellt.
Wie heutige Populisten behauptet Lueger, den „wahren“ Willen des Volkes zu vertreten. Unter „Volk“ versteht er allerdings nur die christliche und deutschsprachige Bevölkerung Wiens. Die Feindbilder können sich dabei zwar ändern. Aber Lueger braucht für seine Politik immer ein Feindbild: 1887 kritisiert er in einer Rede noch die Ausbeutung der Tschechen durch ungarische „Magyar-Kapitalisten“. Später hetzt er gegen tschechische Arbeiter.
Lueger hat eine menschenfeindliche Politik betrieben. Trotzdem sehen ihn auch 2023 viele Menschen in Wien positiv. Sie wollen den „verdienstvollen Bürgermeister“ vom „politischen Antisemiten“ trennen. Einen „Lueger-Hut“ trägt jetzt niemand mehr – aber der Kult wirkt bis heute.