In der Kinderfachabteilung ist Hübsch die stellvertretende Leiterin unter dem Anstaltsdirektor. Mehrmals im Monat werden Kinder mit Behinderungen hierhergebracht. Zusammen mit ihren Kolleg:innen untersucht Hübsch die Kinder und erstellt ein Gutachten. In dem Gutachten hält sie fest, ob die Kinder „heilbar“ sind. Wenn sie ein Kind für „unheilbar“ hält, schickt Hübsch eine Meldung nach Berlin an den Reichsausschuss, einer Tarnorganisation der Kanzlei Hitlers. Kommt aus Berlin der Tötungsbefehl, vergiften Krankenschwestern die Kinder mit Schlafmitteln. Zwischen 1940 und 1945 werden auf diese Weise etwa 800 Kinder am Spiegelgrund ermordet.
Nach den Jahren am „Spiegelgrund“ arbeitet Hübsch bis Kriegsende im Hauptgesundheitsamt der Stadt Wien. Das Amt ist eine Zentrale der Medizinverbrechen. Hier werden Karteien über „minderwertige“ Menschen angelegt, um sie gezielt verfolgen und ermorden zu können.
1946 klagt ein Gericht Hübsch und andere Ärzt:innen an. Zeugenaussagen belasten Hübsch massiv. Sie behauptet aber, von all den Morden nichts bemerkt zu haben. Und das Gericht entscheidet, dass Beweise für ihre Verantwortung fehlen. Hübsch wird in allen Anklagepunkten freigesprochen. Bereits zwei Jahre später arbeitet sie wieder in ihrer eigenen Praxis als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Sie lebt bis 1983 ungestört in Wien.
Maximilian Langbrugger
Der Beitrag wurde im Rahmen eines Seminars im Masterstudium Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien erarbeitet.
Herwig Czech, Der Spiegelgrund-Komplex: Kinderheilkunde, Heilpädagogik, Psychiatrie und Jugendfürsorge im Nationalsozialismus, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 25/1 (2014), 194–219.
Herwig Czech/Wolfgang Neugebauer/Peter Schwarz, Der Krieg gegen die „Minderwertigen“. Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien, Wien 2018.