Ein Teilnehmer des Treffens ist Józef Światło. Er gehört zu den wichtigsten Beamten der polnischen Geheimpolizei. Am Tag danach flüchtet er aber nach West-Berlin und nimmt Kontakt mit dem US-Militär auf. Kurz darauf ist er in Frankfurt am Main und dann schon in einem Flugzeug nach Washington.
Dort berichtet Światło den Behörden der USA über die Verbrechen der polnischen Geheimpolizei. Er erzählt von Schauprozessen, Beweisfälschung, Überwachung und Folter. Es geht um Verbrechen, an denen er auch selbst beteiligt war. Er verrät auch, was er über Korruption und Intrigen in der Kommunistischen Partei Polens weiß. Im Gegenzug erhält Światło politisches Asyl in den USA. Die US-Behörden bezweifeln allerdings, dass alles der Wahrheit entspricht, was er ihnen erzählt hat. Sie vermuten auch, dass er seine eigene Bedeutung übertreibt.
Doch die Enthüllungen sind perfekt, um sie über Radio Free Europe zu verbreiten. Den Radiosender hat der US-Geheimdienst gegründet, um die öffentliche Meinung in den kommunistischen Staaten zu beeinflussen. Der Sender kann überall in Polen gehört werden – sehr zum Ärger der kommunistischen Regierung. Die ist damals fest in stalinistischer Hand und unterdrückt brutal ihre politischen Gegner*innen.
Mit dem Material von Józef Światło produziert Radio Free Europe 140 Sendungen. Über mehrere Monate erzählt Światło von den Machenschaften der Geheimpolizei. So erfährt ein großer Teil der polnischen Bevölkerung von den Enthüllungen des ehemaligen Geheimpolizisten. Auch die Funktionär:innen des Regimes hören die Sendungen – und fürchten sich. Sie haben Angst, dass ihr Name fällt, wenn es um die Verantwortung für Verbrechen und Machtmissbrauch geht.
Die Sendungen mit Światło sind ein gewaltiger Erfolg für Radio Free Europe. Denn das stalinistische Regime in Polen muss nun Sorge haben, dass die Enthüllungen zu Protesten der Bevölkerung führen. Die Regierung sieht sich gezwungen, die Unterdrückung etwas zu mildern. Auch die Geheimpolizei wird verkleinert und neu organisiert.
Julian Stricker-Neumayer