Bildcollage mit einer Frau im Profil, die einen Bubikopf trägt. Daneben eine Zeichnung von einer Frau mit turmartiger Hochsteckfrisur in einem Kleid mit sehr breitem Rock. In der Taille läuft es eng zusammen und ist mit einem großen Kragen besetzt.  © ÖNB ANNO

„Nein“ zu Locken­wickler und Rüschen­kleid:

ein Kampf um Freiheit

Berlin, Ende der 1920er-Jahre: Eine Verkäuferin ist wütend – und schreibt einen Brief an die Zeitung. Grund dafür ist der aktuelle Mode-Trend: Statt knielangem Rock und Kurzhaar-Frisur sind wieder bodenlange Kleider und komplizierte Lockenfrisuren angesagt. Als junge berufstätige Frau kann sie sich das aber nicht leisten: Der viele Stoff ist teuer und sie hat auch gar keine Zeit, um mit Lockenwicklern herumzutun. Außerdem will sie nicht über einen unpraktisch langen Rock stolpern, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit in die Straßenbahn einsteigt oder es im Geschäft eilig hat. Die Verkäuferin hat ein klares Ziel: Die Gründung eines „Vereins gegen lange Kleider“. 

Sie protestiert nicht allein. Die Journalistin Vicki Baum ruft Frauen sogar zum Streik gegen die Mode auf: „Ein paarmal hunderttausend Frauen“ wünscht sie sich, die gegen die altmodischen „Kleidgespenster“ protestieren. Eine andere Journalistin sieht in der neuen Mode eine so große Gefahr, dass sie eine „Kriegserklärung“ schreibt: Die Rückkehr der „alten“ Rocklänge ist ein Anschlag gegen alle hart erkämpften Freiheiten der letzten zehn Jahre. Eine Mitkämpferin fordert: 

„Wenn wir arbeiten müssen wie die Männer, so wollen wir es auch so bequem haben wie die Männer!“ 

Die komplizierten Lockenfrisuren bedeuten einen hohen Zeitaufwand und eine Einschränkung der Freiheit der Frauen. © ÖNB ANNO

Bubikopf und kurzer Rock

Mode-Ikone ist zu Beginn der 1920er-Jahre noch die „Neue Frau“.  Sie lebt in der Großstadt, ist vom Mann unabhängig und verdient ihr eigenes Geld. Damit kauft sie sich teure Autos und reist viel. Außerdem entscheidet sie selbst, mit wem sie schläft. Die „Neue Frau“ trägt dabei ihre Haare und den Rock kurz. Doch die Realität der meisten Frauen ist weit entfernt von diesem Luxusleben. Sie arbeiten für wenig Geld, um irgendwie die Miete zu bezahlen. Zu reisen oder gar ein Auto zu besitzen ist für sie außer Reichweite. Was sie sich leisten können, ist der Look einer modernen Frau. Auch viele Angestellte bewegen sich mit „Bubikopf“ und kurzem Rock in der Öffentlichkeit. Das gefällt den Konservativen und rechten Gruppen überhaupt nicht.

 Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergreifen, reduzieren sie deutsche Frauen auf die Rolle der Mutter, die ihre Pflicht am Volk erfüllt. Frauen sollen dem Deutschen Reich möglichst viele „arische“ Nachkommen gebären. Am 30. Jänner 1933 wird Hitler zum deutschen Kanzler ernannt. An diesem Tag beschreibt eine Journalistin im Mode-Teil einer Zeitung, wie sich die Frauen von nun an anziehen müssen: „Weiblich, bescheiden und hilflos“. 

Zeitstrahl 1928 © wasbishergeschah.at