Das Portraitfoto zeigt Hellmut Heidlberger als jungen Mann. Er hat einen ernsten Gesichtsausdruck und seine Haare sind zurückfrisiert. Er trägt ein weißes Hemd mit Krawatte unter einem Sakko.  © DÖW, Foto 9357, Hellmut Heidlberger.

Ein Lehrling im Widerstand

gegen den National­sozialismus

Der 16-jährige Hellmut Heidlberger unterstützt in der NS-Zeit die Widerstandsgruppe „Neues freies Österreich“. Im Februar 1945 kommt er deshalb vor Gericht. Die Anklage lautet: „Vorbereitung zum Hochverrat“.

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9. Oktober 1944, Freistadt: Hellmut Heidlberger nützt die Mittagspause, um den Schreibtisch seines Chefs zu durchwühlen. Der ist als Anführer einer Widerstandsgruppe von der Gestapo verhaftet worden. Heidlberger hat für die Gruppe Botengänge gemacht und nun sucht er nach Unterlagen, die dem Regime nicht in die Hände fallen sollen. Er entdeckt einige Papiere und versteckt sie in einer Materialkammer. Am nächsten Tag wird auch er von der Gestapo abgeholt.

Gemeinsam gegen das NS-Regime

Heidlberger hat als Lehrling den Sozialdemokraten Ludwig Hermentin kennengelernt. Hermentin leitet die Krankenkasse in Freistadt. Schon vor 1938 war er als Gegner des Nationalsozialismus bekannt. Gleich nach dem „Anschluss“ wird er in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und misshandelt. Davon lässt er sich aber nicht einschüchtern. 1943 verbündet er sich mit anderen im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Einen großen Teil des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus tragen Menschen aus der Arbeiter:innenbewegung, aber im Laufe des Krieges bilden sich auch überparteiliche Widerstandsgruppen. Eine solche gründet Hermentin. An ihr beteiligen sich auch ein ehemaliger Landtagsabgeordneter der Christlichsozialen und ein monarchistischer Fleischhauer. Sie sammeln Geld, unterstützen politische Häftlinge und schaffen Waffen an. Der Lehrling Heidlberger hilft ihnen. Er versteht sich gut mit seinem Chef Hermentin und hat bald mitbekommen, wie wenig der vom Nationalsozialismus hält.

Ludwig Hermentin baut die Widerstandsgruppe „Neues freies Österreich“ gegen die Nazis auf. © DÖW, Ludwig Hermentin.

Die Gestapo forscht die Gruppe aus

Das Regime bekommt Wind von den Aktivitäten, denn der Gestapo-Beamte Johann Haller schleicht sich als Spitzel in die Gruppe ein. Im Oktober 1944 löst er eine Verhaftungswelle aus: „Zwei Tage lang waren die Fanghunde der Gestapo der Schrecken der Stadt, die Zutreiber des Todes wüteten wie in Feindesland“, schreibt später der „Mühlviertler Bote“.

Der Sondergerichtshof Linz beginnt ein Verfahren gegen die Mitglieder der Gruppe. Im Februar 1945 verhängt er über acht Menschen die Todesstrafe. Den Krieg hat das NS-Regime längst verloren, Gnadengesuche ignoriert es trotzdem. Die Verurteilten werden noch am 1. Mai 1945 – knapp vor Kriegsende – von Mitgliedern des Volkssturms erschossen, die selbst noch Jugendliche sind. Hellmut Heidlberger kommt mit dem Leben davon: Das Gericht hat ihn zu vier Jahren Jugendgefängnis verurteilt. Als die erwachsenen Mitglieder der Widerstandsgruppe ermordet werden, steht das Regime vor seiner endgültigen Niederlage und Heidlberger kurz vor seiner Befreiung.

Österreich nach 1945: die Nazis hofieren, den Widerstand vergessen

Mit dem Gestapo-Beamten Haller beschäftigt sich nach Kriegsende ein Volksgericht. 1947 wird er zu lebenslanger Haft verurteilt. Der neue Staat Österreich betont anfangs auch die Rolle des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Das passt ins Bild von Österreich als „erstem Opfer“. Bald aber ist es der Regierung wichtiger, die NS-Verbrecher wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Sie hoffen außerdem auf ihre Wahlstimmen. Die Erinnerung an den Widerstand stört da. In Freistadt würdigt erst seit 1995 ein Denkmal jene Menschen, die im Kampf gegen den Nationalsozialismus ihr Leben riskiert oder sogar verloren haben.

 

Valerie Limbach

Der Beitrag wurde im Rahmen eines Seminars im Masterstudium Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien erarbeitet.

Zeitstrahl 1944 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Christian Angerer, Maria Ecker-Angerer, Nationalsozialismus in Oberösterreich, Opfer. Täter. Gegner, Wien 2018.