Die Kirche des Franziskanerklosters besteht aus graubraunen Steinmauern und einem Schindeldach mit verschiedenfarbigen Schindeln. Mittig im Foto befindet sich ein Kirchturm mit schmalen, spitz zulaufenden Fenstern. Die Spitze des Kirchturms besteht aus einem hellen Dach. Auch die Fenster des Kirchenschiffs laufen spitz zu und sind teilweise mit verschnörkelten Elementen verziert.  © Wikimedia, Bigmike.it, Franziskanerkloster in Bozen (CC-BY-SA-3.0).

Die Klosterroute:

Wie südtiroler Priester Adolf Eichmann zur Flucht verhelfen

In den Nachkriegsjahren retten sich mehrere hundert „Nazigrößen“ durch Flucht. Meistens führt ihr Weg durch die Alpen nach Südtirol. Dort warten Geistliche auf sie, um ihnen weiterzuhelfen.

Adolf Eichmann lebt seit 1946 unter falscher Identität im niedersächsischen Altensalzkoth. Er mietet ein 18 qm-Zimmer für zehn Mark und spart Geld für seine Flucht. Von anderen SS-Angehörigen erfährt er von der Fluchtroute über die Alpen und dass die Südtiroler:innen angeblich gerne helfen.

Eichmann wandert in die Freiheit

Im Mai 1950 nimmt er Kontakt mit Fluchthelfern auf. Zunächst reist er nach Kufstein, dann weiter nach Innsbruck, wo er bei „der guten alten Frau Huber“ übernachtet. Er trinkt mit ihr noch einen Schnaps, bevor sie ihn „zu einem anderen Wirtshaus in der Nähe des Brenners in Marsch“ setzt.

Bei der Grenze angekommen, gerät der „Architekt der Endlösung“ zufällig in eine Razzia der französischen Besatzungspolizei. Seine Gastwirtin gehört aber zur „Organisation“ und versteckt ihn schnell am Dachboden des Wirtshauses. Sie organisiert auch die Weiterreise. Darin ist sie geübt, denn so hat sie das davor schon für andere Kriegsverbrecher und SS-Angehörige gemacht.

Sobald die Franzosen weg sind, bringen Schleuser Eichmann über den Brennerpass. Er trägt nun Bergkleidung mit Tiroler Hut und Gamsbart. Eineinhalb Kilometer hinter der Grenze erwartet ihn ein „radfahrender Priester“: Johann Corradini. Der bringt Eichmann seinen Koffer. Corradini hat das Gepäckstück wahrscheinlich kurz zuvor aus Innsbruck erhalten. So wie die Wirtin ist auch der Pfarrer geübt. Über die Jahre hat er vielen Flüchtlingen geholfen – auch Jüdinnen und Juden, aber genauso nationalsozialistischen Verbrechern wie SS-Hauptsturmführer Erich Priebke. Gemeinsam trinken Eichmann und der Pfarrer noch ein Glas Rotwein, dann verweist Corradini Eichmann an einen Taxifahrer und verabschiedet sich. Der Taxifahrer fährt Eichmann zu seiner Wohnung, wo er seine Tiroler Tracht zurücklässt.  Stattdessen zieht er eine „nicht so auffällige Straßenkleidung“ an. 

Eine neue Identität für den Massenmörder

Eichmann verbringt noch einige Tage beim Taxifahrer, bevor er sich zu seiner nächsten Anlaufadresse begibt: dem Franziskanerkloster in der Landeshauptstadt Bozen. Dort gibt ihm Pater Franz Pobitzer einen neuen Ausweis. Eichmann heißt von nun an „Ricardo Klement“, sein Geburtsort ist angeblich Bozen. Das Dokument benötigt er, um ungehindert ausreisen zu können. Eichmann bzw. Klement bleibt noch einige Wochen im Franziskanerkloster, dann geht es weiter in die Hafenstadt Genua und von dort mit dem Schiff nach Argentinien.
Adolf Eichmann benützt einen gefälschten Ausweis für die Flucht. © Wikimedia, Eichmanns gefälschter Ausweis auf den Namen Ricardo Klement.

Die Südtiroler Geistlichen fordern christliche Vergebung und Amnestie für Nationalsozialisten. Die sollten zwar katholisch sein. Aber wenn sie es nicht sind, kann man sie ja taufen. Das ist nicht bloß eine wilde Idee von lokalen Pfarrern. Manchmal ordnet der Brixner Bischof persönlich die Taufen an.   

Sogar Eichmann wundert sich. 1961 schreibt er rückblickend: „Es war schon merkwürdig, dass mir während meiner Flucht immer wieder katholische Priester halfen. Sie halfen, ohne zu fragen.“


Alex Favalli

Zeitstrahl 1947 © wasbishergeschah.at

Weiterführend:

Gerald Steinacher, Nazis auf der Flucht, Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen. Frankfurt am Main, 2010.